Berlin. Mit dem Asylkompromiss der Union brechen in der SPD alte Gräben wieder auf. Der Koalitionsausschuss endet am Dienstagabend offen

    Das Urteil der SPD war eindeutig. „Massenlager im Niemandsland“ nannte SPD-Politiker Heiko Maas geplante „Transitzonen“. Und Sigmar Gabriel, damals noch SPD-Chef, sprach von „Transitzonen“ als „Haftzonen“. Das war 2015 – die Zeit, in der die weltweite Flüchtlingskrise Deutschland erreicht hatte. An manchen Tagen kamen Zehntausend Menschen ins Land und suchten Schutz, vor allem aus Syrien und Irak. Die Union – schon damals in der gemeinsamen Regierung mit den Sozialdemokraten – wollte „Transitzonen“ einrichten. Die Idee: Die damals überfüllten Erstaufnahmeeinrichtungen mit Großlagern für Flüchtlinge entlasten. Die SPD lehnte ab.

    Heute ist die Lage eine andere: Die Zahl der Geflüchteten und Migranten, die jeden Monat nach Europa kommen, ist drastisch gesunken seit der Schließung der Balkanroute und dem umstrittenen Abkommen der EU mit der Türkei. Und dennoch kracht es in der Bundesregierung bei der Asylpolitik. Die Union will den internen Streit mit der Einrichtung von „Transitzentren“ an der Grenze lösen – doch in der SPD wächst erneut die Gegenwehr. Wenn auch deutlich leiser als 2015.

    Justizministerin Katarina Barley (SPD) lehnt den Asylkompromiss ab. „Diese sogenannte Einigung lässt mehr Fragen offen, als sie beantwortet“, sagte sie dieser Redaktion. „Grundlage für unsere Zusammenarbeit bleibt der Koalitionsvertrag und die Bedingungen unserer Verfassung.“ Schärfer äußerte sich Generalsekretär Lars Klingbeil in der „Rheinischen Post“. „Unser Beschluss gilt: Wir wollen keine geschlossenen Lager.“ Und auch SPD-Vize Malu Dreyer reagierte skeptisch. An dem Kompromiss werde deutlich, dass es „ausschließlich um einen eiskalten Machtkampf“ gegangen sei, sagte die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin dieser Redaktion. „Jetzt wird sich die SPD Zeit nehmen, um die Vorschläge der Union gründlich zu prüfen und zu diskutieren.“ Ihre Bedingungen für eine Zustimmung: „Die Verbindung von Humanität, Ordnung und europäischer Zusammenarbeit ist für uns zentral – das muss sich am Ende auch in dem Ergebnis widerspiegeln.“

    Die SPD ist in einem Dilemma, die Partei selbst gespalten. Viele SPD-Landräte oder Bürgermeister fordern eine verschärfte Asylpolitik, um ihre Städte und Gemeinden zu entlasten. Mit „konsequenter Flüchtlingspolitik“ lasse sich beim konservativen Teil der Basis punkten, sagt ein Bundestagsabgeordneter. Doch viele in der SPD – gerade junge Sozialdemokraten – sehen die Maßnahmen der Union kritisch. Für sie bedeuten die Pläne eine inhumane Politik und eine Einschränkung der Menschenrechte. Kanalisiert wird diese Stimme vor allem durch den Juso-Vorsitzenden Kevin Kühnert. Er verwies gestern auf den Beschluss seiner Partei zu „Transitzonen“ im Jahr 2015. „Und deswegen erwarte ich jetzt auch ganz klar, dass wir da auch nicht einfach einknicken“, sagte er dem rbb. Unter den Innenpolitikern der SPD ist die Bereitschaft zum Bau von Sammellagern größer – allerdings spielt die SPD den Ball zurück an die Union. „Wir haben die Erwartung, dass der Bundesinnenminister ein schlüssiges Konzept vorlegt“, sagt SPD-Innenexperte Burkhard Lischka.

    In der CDU sieht man bei „Transitzentren“ an der Grenze noch die geringsten Widerstände. Schlimmer, heißt es, könnte die Reaktion der SPD auf manche der 63 Punkte in Seehofers „Masterplan Migration“ sein.

    Am Dienstagabend kamen die Spitzen von Union und SPD im Kanzleramt zu einem Treffen des Koalitionsausschusses zusammen. Die Gespräche endeten ohne Beschlüsse. SPD-Chefin Andrea Nahles erklärte, die Runde habe in der gesamten Themenbreite Fortschritte erreicht. Am Donnerstagabend soll der Ausschuss erneut zusammen kommen. Schon am Mittwochmorgen will sich die SPD-Bundestagsfraktion zu einer Sondersitzung treffen, um die Gespräche mit der Union zu bewerten.