Brüssel/Straßburg. Skepsis in Brüssel: Kommission prüft, ob Unionsplan mit dem EU-Recht vereinbar ist

    Der Asylkompromiss der Union stößt auf Skepsis in der EU: Die EU-Kommission prüft die Vereinbarkeit mit europäischem Recht, Österreich bereitet eigene Grenzschutzmaßnahmen vor.

    EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker meldete vor Abgeordneten im EU-Parlament Zweifel an, ob die Vereinbarung den Beschlüssen des EU-Gipfels vom Freitag entspreche. Dies werde man nach „genauer Prüfung der Sachlage“ bewerten müssen. Juncker hatte am Mittag zunächst erklärt, ihm scheine der Unions-Plan „auf erste Sicht“ konform mit dem EU-Recht zu sein – aber er könne nicht sagen, was das in der Folge für andere Länder heiße. Juncker forderte vom juristischen Dienst der Kommission eine Bewertung an. Er wollte dann am Nachmittag eine offizielle Stellungnahme der Kommission zu dem Asylkompromiss abgeben – doch diese blieb überraschend aus.

    Österreichs Kanzler Sebastian Kurz stellte im EU-Parlament klar, dass seine Regierung eigene Grenzkontrollen für den Fall vorbereitet, dass die Unionspläne zur deutschen Regierungspolitik werden: „Wenn Deutschland nationale Maßnahmen setzt, führt das natürlich dazu, dass wir in Österreich und wahrscheinlich auch andere darauf reagieren müssen“, sagte er. Die Regierung in Wien hat Vorbereitungen vor allem zum Schutz der Südgrenzen getroffen. Damit sind Grenzkontrollen etwa am Brenner, aber auch an den Grenzen zu Slowenien und Ungarn gemeint. Kurz will verhindern, dass Flüchtlinge vor allem aus Italien auf ihrem Weg nach Deutschland in seinem Land hängenbleiben. Ob Österreich ein von der Union gewünschtes Rückübernahmeabkommen abschließt, ließ Kurz auch nach Beratungen seiner Regierung offen. Die grundsätzliche Sympathie für die neue deutsche migrationskritische Linie haben ihre Grenzen. Es würden „sicher nicht Verträge zu Lasten Österreichs“ abgeschlossen, erklärte Kurz.

    In dieser Sache wird Innenminister Horst Seehofer (CSU) am Donnerstag in Wien vorstellig werden. Seehofer meinte nach einem Telefonat mit Kurz, dieser sei „an vernünftigen Lösungen interessiert“. Österreichs Außenministerin Karin Kneissl monierte indes, die Einrichtung von Transitzentren an der Grenze werfe „eine ganze Reihe von europarechtlichen und damit auch politischen Fragen auf“. Ein Rücknahmeabkommen mit Italien, wo bislang die meisten nach Deutschland weitergereisten Asylbewerber erstmals registriert wurden, ist nach wie vor nicht in Sicht. Kanzlerin Angela Merkel hat sich bei ihrer Bitte nach einem Abkommen mit Rom vergangene Woche einen Korb geholt – das dürfte sich so schnell kaum ändern. In Italien sagte Innenminister Matteo Salvini vielmehr, sein Land würde schärfere österreichische Grenzkontrollen befürworten. Er sei bereit, Kontrollen am Brenner wieder einzuführen, weil man dadurch nur gewinnen könne: Es gebe mehr Migranten, die Italien an Österreich abzugeben habe, als andersherum.

    Das Entsetzen in Brüssel ist groß: Die EU-Kommission hat bereits klargemacht, dass sie sehr schnell zum Verzicht auf stationäre Kontrollen im Schengen-Raum zurückkehren will – da droht ein Grundsatzkonflikt. Kanzler Kurz sagte in einer Rede zur Übernahme der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft, die deutschen Pläne „beweisen einmal mehr, wie wichtig ein gemeinsamer europäischer Außengrenzenschutz ist, und es bewahrheitet sich die österreichische Position, dass ein Europa ohne Grenzen nach innen nur mit funktionierenden Außengrenzen möglich ist“.