Berlin.

Kaum jemand kannte den Maßnahmenkatalog von Innenminister Horst Seehofer, nicht einmal im eigenen Haus. Nun ist der 23 Seiten lange „Masterplan Migration“ nach außen gedrungen, er liegt dieser Redaktion vor. Das Papier umfasst 63 Punkte. Entworfen hat Seehofer diesen Plan als CSU-Vorsitzender, nicht als Innenminister. Und das sorgte erst einmal für Verwirrung. Eine Sprecherin aus dem Seehofer-Ressort sprach am Mittag von einem zweiten Masterplan – dem des Ministeriums. Später korrigierte sich die Pressestelle: Es gebe nur einen Plan – die Fassung werde nur „geringfügig“ angepasst. Die wichtigsten Inhalte:

Zurückweisungen Nur über eine Maßnahme streiten Seehofer und die Kanzlerin und CDU-Vorsitzende Angela Merkel erbittert: Punkt 27. Darin heißt es: „Künftig ist auch die Zurückweisung von Schutzsuchenden beabsichtigt, wenn diese in einem anderen Mitgliedstaat bereits einen Asylantrag gestellt haben oder dort als Asylsuchende registriert sind.“ Dieser Punkt ist sowohl politisch als auch rechtlich umstritten – und im Koalitionsvertrag nicht vorgesehen. Laut der EU-Dublin-Verordnung läuft ein Asylverfahren in dem EU-Staat, in dem der Schutzsuchende als Erstes registriert wurde – meist Italien, Griechenland oder Spanien. Dennoch machen sich viele Menschen weiter auf den Weg gen Westen. Laut EU-Abkommen darf Deutschland diese Flüchtlinge zurückschicken in das betreffende EU-Land – allerdings erst nach einer „Übernahmeprüfung“. In der Praxis laufen viele Verfahren am Ende doch hier. Seehofer will die Menschen an der Grenze zu Österreich zurückweisen. Er beruft sich auf die Möglichkeit im Grundgesetz, eine Einreise aus „sicheren Drittstaaten“ zu untersagen. Zum Stellenwert der EU steht in dem Papier: Je weniger das europäische Asylsystem leisten könne, desto wichtiger würden „nationale Maßnahmen“.

Ankerzentren/Abschiebehaft Außer den Zurückweisungen ist alles andere in dem Masterplan Seehofers zumindest innerhalb der Union wenig umstritten. So sollen die Plätze für Abschiebehaft ausgebaut werden, Seehofer will mehr Geld für die Sicherheitsbehörden in den Herkunftsstaaten der Migranten und beschreibt die sogenannten Ankerzen­tren, in denen Flüchtlinge in Deutschland in großen Aufnahmelagern untergebracht werden sollen, bis über ihr Asylverfahren entschieden ist. Die Aufenthaltspflicht in diesen „Zentren“ soll maximal 18 Monate betragen, für Familien sechs Monate. Die Opposition von Grünen und Linken sowie Flüchtlingshelfer sehen durch die Asylverschärfungen die Menschenrechte eingeschränkt.

Fluchtursachen bekämpfen Ein Kapitel am Anfang befasst sich mit der Bekämpfung von Fluchtursachen. Seehofer fordert mehr Geld für den „Marshallplan mit Afrika“ von CSU-Entwicklungshilfeminister Gerd Müller. In „Transitstaaten“ wie etwa in Nordafrika oder auf dem Balkan will Seehofer „sichere Orte“ einrichten, also Lager, in denen Geflüchtete von der Weiterreise abgehalten werden sollen. Genauso wie die EU-Staaten vorgeschlagen haben, will auch Seehofer die EU-Grenzschutzbehörde Frontex deutlich aufstocken.

Asylgesetze Auch die Asylgesetzgebung will Seehofer ­verschärfen. So sollen künftig schon Kinder von geflüchteten Familien ab sechs Jahre mit Fingerabdrücken in den Dateien gespeichert werden, bisher liegt die Grenze bei 14 Jahren. Zudem sollen Flüchtlinge in Aufnahmeeinrichtungen allein Sachleistungen erhalten – kein Geld mehr. Wer nicht wie vorge­schrieben an Integrationskursen teilnimmt, müsste schärfere Sanktionen fürchten.