Es ist früher Mittag in Berlin – und der Regierungsstreit zwischen CDU und CSU geht unvermindert weiter. Um 11.30 Uhr empfängt Bundeskanzlerin Merkel im Kanzleramt den neuen spanischen Ministerpräsidenten Pedro Sanchez, am Abend treffen sich die Spitzen von CDU, CSU und SPD zum Koalitionsgipfel. Das Hauptthema ist auch dort der Unionsstreit über die Migration. Die Kanzlerin ringt um eine europäische Lösung – die Zeit wird knapp. Ausgerechnet die Richtlinie zur neuen Dublin-IV-Regelung sei noch strittig, sagt die Kanzlerin. Hier wird geregelt, welcher EU-Staat für ankommende Flüchtlinge zuständig ist. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) will ab nächster Woche anordnen, dass Flüchtlinge an der deutschen Grenze zurückgewiesen werden können, wenn sie bereits in einem anderen EU-Land registriert sind. Merkel ist strikt dagegen. Sie strebt eine Lösung im Einvernehmen mit den EU-Partnern an.

Ortswechsel: Während Merkel mit dem Spanier redet, philosophiert CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt in der bayerischen Landesvertretung über den Begriff der Schicksalsgemeinschaft. „CDU und CSU sind eine Schicksalsgemeinschaft“, sagt er. Er habe dies immer so verstanden und dies treffe auch heute noch zu, betont er. Man habe auch in der Vergangenheit hart gerungen und immer eine Lösung gefunden. Doch Dobrindt sagt mit Blick auf den monatelangen Streit mit der Schwesterpartei über eine Obergrenze für Flüchtlinge auch, die CSU werde den „politischen Fehler nicht wiederholen, dass wir einen Dissens offen im Raum stehen lassen“.

Der Streit über die Obergrenze war mit einem windelweichen Kompromiss ausgeräumt, aber nicht gelöst worden. Auf die Nachfrage, ob der Begriff Schicksalsgemeinschaft sich auch auf die Kanzlerin erstrecke, erklärt der CSU-Stratege: „Ich bilde persönlich maximal mit Horst Seehofer eine Schicksalsgemeinschaft.“ Ob das so stimmt oder ob die drei CSU-Hauptakteure, Dobrindt, Seehofer und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, nicht schon lange auf jeweils eigene Rechnung spielen, ist zumindest einen längeren Gedanken wert. Doch noch hält man zusammen. Dobrindt verweist darauf, dass man zufrieden sei, wenn eine europäische Einigung „wirkungsgleiche“ Verhältnisse zu Zurückweisungen in Deutschland schaffe. Was er genau damit meint, bleibt offen. Doch zumindest ist der Ton am Dienstag etwas konzilianter als in den vergangenen Tagen. Seehofer etwa sagt, „wir sind ja im Ziel einig, es geht lediglich um das Verfahren“. Und fügt fast flehentlich an, dass er sich den Widerstand Merkels nicht erklären könne. In der CDU hört man die Signale gerne: Vize Thomas Strobl freut sich „wirklich sehr über diese Klarstellungen“. Es wäre „absurd, wenn sich die Union über eine Frage zerstreiten würde, bei der sie sich so einig ist“. Ein anderer mischt sich auch in die Diskussion ein: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier plädiert für „Vernunft und Augenmaß“ und kritisiert die „maßlose Härte“ der Diskussion. Auch manchem Mitglied der CSU-Landesgruppe erscheint mittlerweile das Pokern mit dem Bruch der Fraktionsgemeinschaft zu hoch. Als Merkel in der gemeinsamen Fraktionssitzung später am Tag sagt: „Auch ich halte die Gemeinschaft von CDU und CSU für eine Schicksalsgemeinschaft, die auch Bestand haben wird“, brandet Applaus auf. Auch von der CSU.