Kiefersfelden.

Zwischen mächtigen Alpen-Gipfeln schiebt sich die Fahrzeugkolonne auf der Inntal-Autobahn von Kufstein in Tirol nach Kiefersfelden in Bayern. Schier endlos reihen sich Autos, Kleintransporter und Sattelschlepper aneinander und passieren auf der deutschen Seite im Schritttempo eine gelb blinkende Ampel, wo zwei deutsche Grenzpolizisten am Fahrbahnrand den Verkehr beobachten. Sitzt in einem der vielen Fahrzeuge ein Flüchtling, der, wie es die Beamten nennen, illegal nach Deutschland einreisen will?

Hin und wieder winken die beiden Bundespolizisten ein Fahrzeug heraus und dirigieren es auf den angrenzenden Raststätten-Parkplatz. Dort steht an einem provisorisch überdachten Kon­trollpunkt eine Handvoll weiterer Beamter. Diese lassen sich vom Fahrer die Papiere reichen, fordern mitunter alle Insassen zum Aussteigen auf, lassen sich Kofferraum oder Laderaum öffnen. An diesem Nachmittag ist kein Treffer dabei. Alle Wagen verlassen den Grenzpunkt nach wenigen Minuten, um ihren Weg nach Deutschland fortzusetzen.

Bei Berufspendlern, Urlaubern und Fernfahrern sorgt die Prozedur für Unmut. „Das ist absoluter Nonsens“, schimpft Andreas Hausbacher, der als Architekt aus Kufstein über Deutschland zu seiner Baustelle nach Salzburg pendelt. Einen kürzeren Weg gebe es wegen der Alpen nicht. „Das ist doch ein Ablenkungsmanöver. Da erwischt man nur die ganz Dummen“, sagt der 40-Jährige. Denn die meisten Übergänge an der mehr als 800 Kilometer langen deutsch-österreichischen Grenze sind unbewacht, das räumt die Bundespolizei selbst ein. Nur an drei Autobahnen und am Bahnhof Salzburg werde ständig kontrolliert. An weiteren Übergängen „erfolgen zeitlich und örtlich flexibel Maßnahmen“, so erklärt es ein Sprecher.

Wenn die Polizisten an dem Kon­trollpunkt in Kiefersfelden jemanden ohne gültige Papiere antreffen, ist ihre Arbeit schnell getan: Flüchtlinge ohne Visum oder Ausweis werden mit in die Regionalzentrale nach Rosenheim gebracht. Dort, 30 Kilometer nördlich der Grenze, setzen Beamte im Gebäude der Bundespolizeiinspektion die Kontrollen fort. Sie identifizieren den Betreffenden mit seinen Fingerabdrücken und gleichen diese mit Computerdaten ab. Juristisch gesehen sei der Migrant damit noch nicht eingereist, hieß es. Unter Federführung der Staatsanwaltschaft wird der Betreffende mit einem Dolmetscher befragt. Bittet jemand um Schutz vor Verfolgung? Nur das kann die illegale Ankunft entschuldigen und ein Asylverfahren ermöglichen. Oder gibt der Befragte an, in Deutschland leben zu wollen?

Bereits jetzt verwehrt die Bundespolizei mehr als der Hälfte aller Flüchtlinge, die an der deutsch-österreichischen Grenze angetroffen werden, die Einreise. Von Januar bis Mai wurden nach offizieller Statistik rund 4600 Menschen an den Kontrollstellen in Bayern wegen illegalen Grenzübertritts aufgegriffen. Davon wiesen die Beamten fast 2450 zurück. Die Gescheiterten treten aus Rosenheim im Polizeifahrzeug den Rückweg an: Sie werden aus Deutschland in die Dienststelle der österreichischen Polizei nach Kufstein gefahren und dort den Kollegen übergeben.

Die Ankündigung von Innenminister Horst Seehofer (CSU), Grenzkon­trollen zu verschärfen, stößt in der Region auf Skepsis. Die Verkehrssituation sei untragbar, sagt der parteilose Bürgermeister von Kiefersfelden, Hajo Gruber. Was solle erst werden, wenn die Kon­trollen ausgeweitet werden? Das Sicherheitsgefühl der Bürger sei wichtig. Der Erhalt offener Grenzen aber auch.