Nürnberg.

Ingrid Hofmann kann sich noch gut an den ersten Flüchtling erinnern, den sie eingestellt hat. Ein Mann aus Syrien sei das gewesen, erzählt die Inhaberin einer Zeitarbeitsfirma. „Der hatte zu Hause eine Hühnerfarm und brachte viel praktisches Wissen mit.“ Einer, der die Ärmel hochkrempelte und etwas schaffen wollte.

In den vergangenen drei Jahren hat Hofmann rund 1500 geflüchtete Menschen eingestellt und an Kunden vermittelt. Viele sind von ihnen übernommen worden, andere haben auch nach intensiven Versuchen keinen Job gefunden. 900 Flüchtlinge stehen bei ihr noch immer unter Vertrag. „Zu Anfang war es Idealismus, dass ich mich um diese Menschen gekümmert habe“, sagt Hofmann. „Aber mittelfristig müssen wir mit ihrer Vermittlung trotzdem eine schwarze Null schreiben.“ Soll heißen: Leiharbeiter müssen Geld verdienen, ob nun Flüchtling oder nicht.

Die Integration in den Arbeitsmarkt, das wird aus Hofmanns Erzählungen deutlich, ist ein schwieriges Geschäft. Mühsam, mit viel Betreuungsaufwand, aber nicht ohne Erfolg. „Wir sind ganz zufrieden“, sagt Detlef Scheele, der Vorstandschef der Bundesagentur für Arbeit (BA), über die Bemühungen der vergangenen Jahre. Aktuell würden etwas mehr Flüchtlinge das System der Grundsicherung verlassen als neue hinzukommen. Die Zahl der arbeitslosen Flüchtlinge sinke deshalb leicht. Scheele macht aber deutlich: „Die Integration aller Flüchtlinge wird uns nicht gelingen.“ Vor allem ältere Flüchtlinge würden nur schwer einen Job finden. Die Arbeitslosigkeit werde deshalb in den nächsten Monaten „geringfügig steigen“. Sie werde aber auch „nicht durch die Decke gehen“, so Scheele.

Konkret waren im Mai dieses Jahres 410.000 geflüchtete Menschen arbeitslos, davon nahmen rund 230.000 an Integrationskursen oder Qualifizierungsmaßnahmen teil. Sie tauchen deshalb in der offiziellen Statistik nicht explizit als „arbeitslos“ auf. Was den BA-Chef optimistisch stimmt, sind die Ausbildungszahlen: 28.000 Flüchtlinge würden derzeit eine berufliche Ausbildung absolvieren, sagt Scheele. Weitere 26.000 seien grundsätzlich für eine Ausbildung geeignet und würden eine Stelle suchen. Zum Vergleich: Insgesamt gibt es über alle Lehrjahre hinweg 1,5 Millionen Auszubildende in Deutschland.

„Wer als Kind eingereist ist, kann später erfolgreich in Ausbildung vermittelt werden“, fasst der BA-Chef zusammen. Dagegen habe der große Teil der älteren Flüchtlinge ab 35 Jahre – konkret sind es rund zwei Drittel von ihnen – oft keine Ausbildung oder keine anerkannten Abschlüsse. Diese Menschen fänden in der Regel dann auch keine Anstellung.

Trotzdem: Im Jahr 2017 haben die Arbeitsagenturen rund 60.000 Flüchtlinge in eine sozialversicherungspflichtige Stelle auf dem ersten Arbeitsmarkt vermittelt. Der größte Teil davon, fast 18.000 Menschen, steht bei Zeitarbeitsfirmen wie der von Ingrid Hofmann unter Vertrag. Weitere 16.000 arbeiten im Bereich der „wirtschaftlichen Dienstleistungen“ und im „Gastgewerbe“. Hinter diesen Begriffen verbergen sich Jobs als Reinigungskräfte oder in den Spülküchen von Restaurants. Nur ein geringer Teil der Flüchtlinge ist im verarbeitenden Gewerbe tätig und auch dort reicht es oft nur zu Jobs als Helfer.

Insgesamt hätten seit Beginn der Flüchtlingskrise fast 300.000 Menschen eine Stelle gefunden, auf der sie ohne staatliche Leistungen ihren Lebensunterhalt verdienen können, sagt BA-Chef Scheele. Binnen fünf Jahren könne etwa die Hälfte der nach Deutschland gekommenen Menschen einen Job finden, diese Schätzung sei nach wie vor realistisch. Dass sich dadurch der Fachkräftemangel nicht beseitigen lasse, sei klar, so Scheele. Aber das habe auch niemand jemals ernsthaft behauptet. Die wichtigste Voraussetzung und die größte Hürde für die Integration in den Arbeitsmarkt ist nach wie vor die deutsche Sprache, das sagen alle Experten. „Je besser die Leute bei der Sprachförderung abschneiden, desto größer ist die Chance, dass sie später noch eine Ausbildung machen und damit dann eine Stelle finden“, sagt Daniel Terzenbach, der BA-Geschäftsführer, der für das Thema Flüchtlinge zuständig ist.

Terzenbach macht außerdem noch auf ein Problem aufmerksam, das bisher noch kaum im Fokus steht: Frauen sind schwerer in Beschäftigung zu bringen als Männer. Sie nehmen deutlich seltener an Integrations- und Sprachkursen teil und wechseln im Ergebnis auch fünfmal seltener aus der Grundsicherung in einen sozialversicherungspflichtigen Job als Männer. „Das lässt sich nur zum Teil mit der Qualifikation von geflüchteten Frauen erklären“, sagt Terzenbach. „Das ist eindeutig ein kulturelles Thema.“ Frauen würden sich innerhalb der Flüchtlingsfamilien vor allem für die Kindererziehung und den Haushalt zuständig fühlen und seien gar nicht auf der Suche nach einer Arbeitsstelle.

Terzenbach hofft nun, zusammen mit den Städten und Gemeinden vor Ort Lösungen dafür zu finden. „Das Thema fordert uns derzeit am meisten“, sagt er und glaubt, dass eine Änderung der traditionellen Geschlechterrolle eine „Baustelle ist, die uns noch die nächsten Jahre und Jahrzehnte beschäftigen wird.“