Berlin.

Selbst kochen geht nicht mehr, schwere Einkäufe tragen schon gar nicht. Und spontan allein in die Stadt fahren ist auch nicht mehr möglich: Im Alter auf Hilfe anderer angewiesen zu sein, ist für viele Menschen eine große Umstellung. Zur psychischen Belastung kommt häufig noch die finanzielle: Pflege ist teuer. Eine Auswertung des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln (IW), die dieser Redaktion vorliegt, zeigt jetzt: Vor allem in großen Städten können sich ältere Menschen die ambulante oder stationäre Versorgung oft nicht mehr leisten – und brauchen Hilfe vom Staat.

Der springt ein, wenn alle anderen Optionen ausgeschöpft sind: Hilfe zur Pflege heißt die Leistung, mit der sichergestellt werden soll, dass pflegebedürftige Menschen auch dann versorgt werden, wenn sie dafür selbst nicht bezahlen können. Der Staat hilft nur, wenn auch Kinder und Partner nicht für die Kosten aufkommen können und die Möglichkeiten durch gesetzliche und private Pflegeversicherung ausgeschöpft sind. Kreise, kreisfreie Städte und zum Teil auch die Länder übernehmen in diesen Fällen die Rechnung.

Das kommt immer häufiger vor: Mit der steigenden Zahl der Pflegebedürftigen wächst seit Jahren auch die Gruppe derer, die Unterstützung brauchen. Bezogen 1998 noch etwas mehr als 222.000 Personen Hilfe zur Pflege, waren es 2016 laut Statistischem Bundesamt knapp 347.000 Menschen. 14 Prozent der gesamten Ausgaben für ­Sozialhilfe fielen unter diese Rubrik, 3,8 Milliarden Euro waren es im Jahr 2016. Im bundesweiten Schnitt bleibt der Anteil der Empfänger an allen Pflegebedürftigen in den vergangenen Jahren dabei etwa gleich. 2015 nahmen 12,2 Prozent aller Menschen in Deutschland, die auf Pflege angewiesen sind, die Hilfe in Anspruch.

Doch zwischen den einzelnen Regionen sind die Unterschiede groß: Während im brandenburgischen Landkreis Barnim 4,6 Prozent aller Menschen, die gepflegt werden, dafür finanzielle Hilfe bekamen, waren es in Berlin 23,5 Prozent. Und nicht nur in der Hauptstadt ist der Bedarf höher. Auch in anderen großen Städten liegt der Anteil der Menschen, die die Leistung beziehen, deutlich über dem Schnitt: In Frankfurt am Main sind es 23,8 Prozent aller Pflegebedürftigen, in Essen 24,5 Prozent und in Hamburg 25,6 Prozent – der höchste Wert bundesweit.

Susanna Kochskämper vom IW, die untersucht hat, wie viele Menschen diese Form der Unterstützung brauchen, erklärt das vor allem mit der sozialen Struktur der Städte: „In den Städten gibt es sehr viel mehr alleinstehende Menschen auch im hohen Alter, die keinen familiären Anschluss mehr haben. Dann braucht man, wenn man pflegebedürftig wird, sofort professionelle Hilfe, die teuer ist“, sagt sie. Auf dem Land und in kleineren Gemeinden, wo familiäre und nachbarschaft­liche Bindungen oft enger seien, bekämen Menschen eher aus dem privaten Umfeld Unterstützung. „Da ist es häufig so, dass die Leute die Hilfe erst brauchen, wenn sie ins Pflegeheim gehen, weil die Arbeit vorher unentgeltlich gemacht wurde“, sagt Kochs­kämper. Ein Grund für die großen regionalen Unterschiede sind laut der Wirtschaftswissenschaftlerin auch die Preise für Pflegeleistungen, die zwischen verschiedenen Teilen des Landes zum Teil weit auseinander liegen. Die Kosten für Pflegeheime, so Kochs­kämper, „sind in Sachsen nicht so hoch wie zum Beispiel in Rheinland-Pfalz oder Nordrhein-Westfalen“.

Das zeigt sich auch in den Haushalten der Länder. Rechnet man die Ausgaben der Länder für Hilfe zur Pflege herunter auf die Zahl der Einwohner, gibt Sachsen am wenigsten aus: 17,90 Euro pro Einwohner waren es 2016. Vergleichbar niedrig war diese Zahl nur in Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Wer die Hilfe zur Pflege benötigt, bekam 2016 in Sachsen durchschnittlich 4430 Euro vom Staat. Berlin dagegen zahlte im Schnitt 10.068 Euro, Hamburg sogar 11.732.

Allerdings kommen auch auf die Bundesländer im Osten höhere Ausgaben zu – dann nämlich, wenn eine neue Generation Unterstützung brauchen wird. 2015 war mehr als die Hälfte der Menschen, die gepflegt werden, über 80 Jahre alt. „Bei dieser Gruppe sieht man bisher in den Renteneinkommen keinen so großen Unterschied zu Westdeutschland, weil die Menschen in der DDR meist durchgehend gearbeitet haben und entsprechend Rente bekommen“, erklärt die Wirtschaftswissenschaftlerin. „Prekäre Renten für größere Teile der Bevölkerung kommen erst in der nächsten Generation.“ Je mehr Leute kleine Renten bekommen, desto größer die Zahl der Fälle, in denen der Staat einspringen muss.