Berlin.

Die SPD ist eine stolze Partei, die viel Wert auf Symbolik legt. Am Montagmorgen lässt Lars Klingbeil, der Generalsekretär, oben auf dem Dach der Parteizentrale die Europa-Fahne hissen. Das war als Signal gemeint, dass die Genossen ein grenzfreies Europa gegen die CSU verteidigen wollen. In den sozialen Medien feierten die Anhänger die Aktion. Aber war das nicht nur Symbolpolitik für eine Partei, die trotz des Absturzes auf 16 Prozent in den Umfragen den Anspruch erhebt, das Land zu führen?

Intern wuchs über das Wochenende die Kritik an der Parteiführung. Die Jusos monierten, das Abtauchen der SPD in einem Konflikt, der die Republik bewege, sei gefährlich. Andrea Nahles schaute sich dann am Mittag die Pressekonferenzen von Angela Merkel und Horst Seehofer an. Nach dem Fernduell der Kanzlerin mit ihrem Innenminister war der SPD-Chefin klar, dass auch sie auf die Bühne muss. Um 16 Uhr erschien sie im Atrium, stellte sich neben die Bronzefigur von Willy Brandt. Die Ankündigungen von Merkel und Seehofer hätten nichts geklärt, die für das Land schädliche „Hängepartie“ werde fortgesetzt. Daraufhin informierte Nahles die Kanzlerin und den CSU-Chef, dass die SPD auf einem Koalitionsgipfel noch vor dem EU-Gipfel Ende Juni besteht.

Nach Tagen der Verzagtheit, in denen die Genossen den Kopf einzogen, will die SPD in die Offensive kommen. So hat Nahles ein Gegenkonzept ausarbeiten lassen. Dabei greift die SPD auf die bereits 2016 von der damaligen großen Koalition verabredeten „beschleunigten Asylverfahren“ für Menschen aus sicheren Herkunftsstaaten zurück, das bisher nicht für sogenannte Dublin-Fälle gilt. Also zum Beispiel für Flüchtlinge aus Syrien oder Afrika, die zunächst in einem anderen EU-Staat registriert worden sind. Die will Seehofer direkt an der Grenze abweisen lassen. Nahles sagte, wenn man die Regelungen auch für Dublin-Fälle öffne, könnten die Verfahren in einer Woche in Deutschland abgeschlossen sein. Nahles betonte, ein Kompromiss zwischen Merkel und Seehofer bedürfe noch der Zustimmung der SPD.

Das SPD-Wirtschaftsforum legte Seehofer unterdessen einen Rücktritt nahe. „Wenn Herr Seehofer mit Frau Merkel nicht kann, ist er in einem Alter, wo man auch über seinen nächsten Lebensabschnitt nachdenken kann, ohne davor Chaos zu hinterlassen“, sagte der Schatzmeister des SPD-nahen Unternehmerverbandes, Harald Christ, dieser Zeitung. Die taktischen bayerischen Wahlkampfmanöver von Seehofer und Ministerpräsident Markus Söder zerstörten das Vertrauen der Wähler in die Politik und stärkten die AfD.