Athen. Griechenland und Mazedonien unterzeichnen historisches Abkommen

    Psarades ist ein kleines Fischerdorf am südlichen Ufer des Prespa-Sees, in dessen Mitte die Grenzen Griechenlands, Albaniens und Mazedoniens aufeinandertreffen. Bis vor Kurzem hätten die 60 Einwohner dieses Fleckens nicht gedacht, dass hier einmal Geschichte geschrieben wird. Am Sonntag war es so weit. Aus Athen und Skopje kamen Regierungschefs und Minister, aus Brüssel EU-Kommissar Johannes Hahn, die EU-Außenbeauftragte Federica Mo­gherini und aus New York der UN-Sonderbeauftragte Matthew Nimetz in das malerische Provinznest, um dabei zu sein, wie Griechenland und Mazedonien hier den Streit um den Staatsnamen Mazedonien beilegen. Für Nimetz war es ein ganz besonderer Tag. Der US-Diplomat bemühte sich seit 25 Jahren in unzähligen Vermittlungsmissionen um einen Kompromiss im Namensstreit. Er ist darüber alt geworden.

    Am Sonntag hatte Nimetz gleich zweifach Grund zur Freude: Er konnte den Erfolg seiner Bemühungen und seinen 79. Geburtstag feiern. „Ich brauche kein anderes Geschenk“, sagte Nimetz. Der Streit schwelte seit 1991, als sich die jugoslawische Teilrepublik unter dem Namen „Republik Mazedonien“ für unabhängig erklärte. Griechenland sah darin Ansprüche auf die gleichnamige nordgriechische Region. Der jetzt gefundene Kompromiss, wonach sich das Nachbarland „Nord-Mazedonien“ nennt, klingt nicht so innovativ, dass man dafür 27 Jahre verhandeln muss. Aber der Streit war kompliziert wegen seiner historischen Dimension. Viele Griechen wehren sich dagegen, dass sich die Nachbarn das kulturelle Erbe des Hellenismus aneignen, etwa indem sie sich zu den alleinigen Nachfahren Alexanders des Großen und des griechischen Philosophen Aristoteles erklärten.

    Mit dem Wahlsieg des Sozialdemokraten Zoran Zaev kam vor einem Jahr Bewegung in den festgefahrenen Namensstreit. „Wir lassen die Vergangenheit zurück und blicken in die Zukunft“, sagte Zaev bei der Unterzeichnung der Abmachung. Für Mazedonien öffnet sich mit dem Kompromiss die Tür zur Nato und zu EU-Beitrittsverhandlungen. Der griechische Premier Alexis Tsipras sprach von einem „historischen Schritt“. Er hatte am Sonnabend im Athener Parlament einen Misstrauensantrag überstanden, mit dem die konservative Opposition den Kompromiss durchkreuzen wollte. Oppositionsführer Kyriakos Mitsotakis warf Tsipras vor, er habe einen „schlechten Deal“ geschlossen und verpfände die Zukunft des Landes. Der Misstrauensantrag gegen Tsipras scheiterte jedoch mit 127 Stimmen deutlich. Für einen Regierungssturz wären 151 Stimmen erforderlich gewesen.

    Die Einigung ist aber mit der feierlichen Unterzeichnung in Psarades noch nicht in trockenen Tüchern. Jetzt beginnt der komplizierte Ratifizierungsprozess. Dafür muss Mazedonien seine Verfassung ändern und eine Volksabstimmung veranstalten, was mehrere Monate dauern dürfte. Erst danach kann das griechische Parlament endgültig zustimmen. In beiden Ländern bleibt der Kompromiss umstritten. Der mazedonische Präsident Djordje Ivanov will seine Zustimmung verweigern. Auch in Griechenland gibt es Kritik. Laut einer Umfrage sind 68 Prozent der Befragten gegen das Abkommen.