Berlin. Arbeitsminister Heil bringt Gesetzentwurf durchs Kabinett. Opposition: Regelung erreicht zu wenige Arbeitnehmer. Wer davon profitiert

    Wer ein paar Jahre lang weniger arbeitet, um sich mehr um die Familie zu kümmern, geht ein Risiko ein. Es gibt weniger Geld, weniger Aufstiegschancen, weniger Rente. Für manche wird Teilzeit sogar zur beruflichen Sackgasse: Viele Frauen, die ihre Arbeitszeit reduzieren, wenn das erste Kind kommt, haben später Probleme, wieder zurück auf eine Vollzeitstelle zu kommen. Das soll sich jetzt ändern.

    Seit fünf Jahren kämpfen wechselnde Arbeitsministerinnen in Deutschland für einen Rechtsanspruch auf Rückkehr von Teilzeit in Vollzeit. Erst war es Ursula von der Leyen (CDU), dann Andrea Nahles (SPD). Beide scheiterten am breiten Widerstand der Arbeitgeber und in der Union. Jetzt hat Amtsnachfolger Hubertus Heil (SPD) das Vorhaben zumindest über eine entscheidende Hürde gebracht: Am Mittwoch beschloss das Kabinett in Berlin die Einführung eines Rechtsanspruchs auf eine sogenannte Brückenteilzeit.

    Die Regelung sieht vor, dass Arbeitnehmer, die für ein bis fünf Jahre in Teilzeit gehen wollen, das Recht erhalten, in Vollzeit zurückzukehren. Die Dauer der Teilzeitphase wird also vorab zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber festgelegt. Aber: Das Gesetz gilt grundsätzlich nur für Betriebe ab 45 Beschäftigten – und für Betriebe bis zu 200 Mitarbeitern auch nur eingeschränkt: Dort soll jeweils eine begrenzte Zahl von Beschäftigten gleichzeitig einen Antrag auf Brückenteilzeit stellen können. Und: Anspruch darauf sollen generell nur solche Beschäftigte haben, die bereits mindestens sechs Monate angestellt sind. Ablehnen kann der Arbeitgeber den Wunsch, wenn ihm betriebliche Gründe entgegenstehen. Das Ministerium geht davon aus, dass nach Inkrafttreten des Gesetzes gut 150.000 Beschäftigte in Wirtschaft und öffentlichem Dienst vom Anspruch auf befristete Teilzeit Gebrauch machen werden.

    Hinzu kommt: Wer bereits jetzt in Teilzeit arbeitet und wieder eine Vollzeitstelle bekommen will, dem erleichtert das Gesetz die Verhandlungen mit dem Arbeitgeber – zumindest ein wenig. Um den Wunsch des Mitarbeiters abzulehnen, muss der Arbeitgeber in Zukunft nachweisen, dass der gewünschte Vollzeit-Arbeitsplatz nicht vorhanden ist oder der Beschäftigte für den freien Platz nicht geeignet ist. Klargestellt ist aber auch, dass der Arbeitgeber keinen neuen Arbeitsplatz schaffen muss – und dass es in seiner unternehmerischen Freiheit liegt, einen freien Arbeitsplatz zu besetzen oder nicht. Die Frage, wer hier künftig beweispflichtig ist, hatte das Gesetz lange Zeit verzögert, der Streit zwischen SPD und Union war erst am Dienstagabend vorläufig beigelegt worden. Jetzt muss noch der Bundestag seine Zustimmung geben, damit die Regelung am 1. Januar in Kraft treten kann.

    Trotz der weitreichenden Einschränkungen sprach Arbeitsminister Heil am Mittwoch von einem „großen Schritt“: Der neue Rechtsanspruch auf befristete Teilzeit lasse Frauen künftig nicht mehr in der „Teilzeitfalle“ hängen, sondern ebne ihnen den Weg zurück in die vorherige Arbeitszeit. „Damit ist die Brückenteilzeit auch ein aktiver Beitrag zur Gleichstellung von Frauen und zur Vermeidung von Altersarmut.“ Die Grünen dagegen übten Kritik: Heils Gesetz sei ein Gesetz für Wenige. Die Linke bemängelte, dass fast die Hälfte der berufstätigen Frauen ausgeschlossen sei.