Rom.

Ein Bild sagt manchmal mehr als viele Worte: Im dunklen Anzug, mit verschränkten Armen und einem Blick wie zum Angriff auf den Betrachter gerichtet, präsentierte sich Matteo Salvini auf einem Foto, das er am Montag online stellte. Dazu schreibt der neue italienische Innenminister und stellvertretende Ministerpräsident: „Wir schließen die italienischen Häfen.“

Wenige Tage nach der Amtsübernahme der Regierung aus Salvinis rechtspopulistischer Lega und der Anti-Establishment-Bewegung Fünf Sterne machte er Ernst mit seinen Wahlversprechen. Im Tauziehen mit der maltesischen Regierung blockiert er die italienischen Häfen für Flüchtlinge. Das erste Schiff, das von dieser neuen Linie getroffen wurde, war die „Aquarius“ der Hilfsorganisation SOS Méditerranée, mit 629 am Wochenende geretteten Migranten an Bord.

Nachdem lange unklar war, wohin das Schiff steuern soll, bot am Montagnachmittag Spaniens neuer Premierminister Pedro Sanchez an, die „Aquarius“ könne Valencia anlaufen – ein Angebot Spaniens, das Salvini als seinen ersten Sieg verbuchte. „Die Stimme zu erheben, zahlt sich aus“, jubelte er, nachdem der neue sozialistische Ministerpräsident Spaniens, Pedro Sanchez, grünes Licht für das Schiff gegeben hatte. Am Montagabend kannten SOS Méditerranée und Ärzte ohne Grenzen, die die medizinische Versorgung an Bord leisten, dieses Angebot allerdings nur aus Medienberichten. Weder die internationale Seenotleitstelle in Rom noch Spanien selbst hätten offiziell Kontakt aufgenommen, erklärte Ärzte ohne Grenzen.

An Bord der „Aquarius“ befinden sich unter den 629 Menschen allein 123 unbegleitete Minderjährige, elf weitere Kinder und sieben schwangere Frauen. Mehrere Menschen haben sich chemische Verbrennungen zugezogen und brauchen medizinische Behandlung. SOS Méditerranée zeigte sich besorgt über die Situation an Bord: Viele der Geretteten seien dehydriert und erschöpft, das Schiff über seine Aufnahmekapazität belegt. „Es wird letztlich ein politischer Streit auf dem Rücken der Geretteten und auch auf dem Rücken einer humanitären Organisation ausgetragen“, sagte Verena Papke, Sprecherin der Organisation in Deutschland, dieser Redaktion.

Der Rechtspopulist will Malta in die Verantwortung zwingen

Salvini begründet die Schließung der italienischen Häfen für Flüchtlingsschiffe mit dem Hinweis auf das Verhalten anderer EU-Länder. Gleichzeitig fordert er Malta auf, Flüchtlinge zu versorgen, die in der zum Inselstaat gehörigen Seenotrettungszone von Hilfsorganisationen an Bord genommen werden. „Im Mittelmeer gibt es Schiffe unter niederländischer, spanischer und britischer Flagge, deutsche und spanische Nichtregierungsorganisationen, und da ist Malta, das niemanden aufnimmt“, schimpfte der Innenminister im Ton des Wahlkämpfers. Frankreich weise Migranten an der Grenze zurück, Spanien verteidige seine Grenzen mit Waffen. „Von heute an wird auch Italien Nein zum Menschenhandel, Nein zum Geschäft der illegalen Einwanderung sagen.“

Die maltesische Regierung warf Italien vor, gegen das Seerecht zu verstoßen. Die Migranten seien in libyschen Gewässern gerettet worden, die Rettungsaktion von der italienischen Küstenwache koordiniert. Daher sei Rom für die Aufnahme und Versorgung der Geretteten zuständig. Der maltesische Premierminister Joseph Muscat äußerte sich angesichts der Krise zwischen Italien und Malta besorgt über das Verhalten Roms. Das Vorgehen Italiens drohe, eine „für alle gefährliche Situation“ zu schaffen, warnte Muscat.

Für Salvini müssten angesichts der Weigerung anderer EU-Staaten, Flüchtlinge aufzunehmen, die nächstgelegenen Häfen angesteuert werden. Das seien im Fall der „Aquarius“ die maltesische Hauptstadt Valletta oder Tunis. Die italienische Küstenwache, die auch in Zusammenarbeit mit der EU-Grenzschutzagentur Frontex die Rettungsaktionen im südlichen Mittelmeer koordiniert, ist für die Zuweisung eines Hafens zuständig. Nach den EU-Richtlinien muss der jeweilige Hafen jedoch nicht in Italien liegen.

Die bereits von der italienischen Vorgängerregierung unter dem Sozialdemokraten Paolo Gentiloni vereinbarte Zusammenarbeit Roms mit Libyen führte zwar zu verstärkten Kontrollen von Flüchtlingsschiffen, die versuchen, über das Mittelmeer Europa zu erreichen. Da in dortigen Flüchtlingslagern Menschenrechtsverletzungen an der Tagesordnung sind, löste die Rückführung von Migranten durch die libysche Küstenwache in die eigenen Häfen jedoch scharfe Kritik aus.

Aber selbst der moderat auftretende neue italienische Ministerpräsident Giuseppe Conte hatte bei Amtsantritt in der Frage der Seenotrettung von Migranten scharfe Töne angeschlagen. Der parteilose Jura-Professor versprach, Hilfsorganisationen das Handwerk zu legen, die mit Migranten Geschäfte machten. Angesichts der Not auf der „Aquarius“ kündigte er zwischenzeitlich an, zwei Schiffe mit Ärzten zu schicken. Conte will am kommenden Montag nach Berlin kommen, um mit Bundeskanzlerin Angela Merkel über die Flüchtlingskrise zu sprechen.