Istanbul. Türkischer Staatspräsident gerät vor den vorgezogenen Wahlen am 24. Juni in die Defensive

    Die türkische Regie­rung könnte den im Sommer 2016 verhängten Ausnahmezustand nach den Wahlen vom 24. Juni aufheben. Das erwägt Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan. „So Gott will, werden wir nach den Wahlen den Ausnahmezustand überdenken und ihn möglicherweise aufheben“, sagte Erdogan dem Sender CNN Türk. Das Thema werde nicht lange aufgeschoben, versprach Erdogan. „Wir werden uns damit befassen, sobald ein neues Kabinett gebildet worden ist.“

    Der Ausnahmezustand wurde nach dem Putschversuch vom 15. Juli 2016 eingeführt und im April dieses Jahres zum siebten Mal verlängert. Unter dem Ausnahmezustand kann Erdogan mit Dekreten das Land am Parlament vorbei regieren. Rechtsmittel gegen die Verordnungen des Staatschefs sind nicht möglich. Dass Erdogan jetzt ein Ende des Ausnahmezustandes in Aussicht stellt, zeigt: Er ist im Wahlkampf in die Defensive geraten. Umfragen zufolge könnte er am 24. Juni bei der Präsidentenwahl die erforderliche absolute Mehrheit verfehlen. Er müsste sich dann zwei Wochen später einer Stichwahl stellen. Seine beiden wichtigsten Konkurrenten bei der Präsidentenwahl, der Mitte-Links-Politiker Muharrem Ince und die Nationalistin Meral Aksener, versprechen für den Fall ihres Wahlsieges die sofortige Aufhebung des Ausnahmezustandes und ernten damit bei ihren Kundgebungen großen Beifall.

    Erdogan könnte seinen Konkurrenten den Wind aus den Segeln nehmen, wenn er den Ausnahmezustand noch vor den Wahlen beenden würde. Damit würde er aber ein wichtiges Instrument aus der Hand geben. Unter dem Ausnahmezustand können die Behörden Demonstrationen und Versammlungen nach Gutdünken verbieten.