Washington.

Donald Trump ist am unleidlichsten, wenn er unter Zeitdruck steht und Termine wahrnehmen muss, die ihm nicht behagen. Beides ist der Fall, wenn Amerikas Präsident am heutigen Freitag ins kanadische La ­Malbaie fliegt. Das Treffen der führenden Industrienationen Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Kanada, Japan und USA – kurz G7 – in der Nähe von Quebec kommt Trump „äußerst ungelegen“.

Er würde, hieß es im Weißen Haus, die Zeit lieber nutzen, um sich auf den nächsten Dienstag geplanten Atomgipfel mit Nordkoreas Diktator Kim Jong-un in Singapur vorzubereiten. Außerdem ­wisse Trump, dass er nach seinem jüngsten Strafzolldiktat für verschiedene ­auswärtige Stahl- und Aluminiumproduzenten im Tagungshotel Le Manoir Richelieu am Ufer des Sankt-Lorenz-Stroms wie der „ungeliebte Onkel aus Amerika“ empfangen wird. Auch darum wurde laut „Washington Post“ kurzzeitig erwogen, Vizepräsident Mike Pence zu schicken.

Angesichts der dicken Luft, die zwischen den G6 und Trump-Amerika herrscht, ist ein Eklat in Kanada nicht ausgeschlossen, sagen Eingeweihte. So haben Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der noch vor wenigen Wochen als optimistischer Trump-Flüsterer galt, und Gastgeber Justin Trudeau bereits anklingen lassen, dass sie das übliche Schlussdokument des Gipfels nicht gegenzeichen werden, wenn Trump ­keine substanziellen Zugeständnisse macht.

Das Wort vom „G0-Gipfel“ macht bereits die Runde

Die von Trump ebenso hofierten wie düpierten Jungstars unter den Regierungschefs erwarten ein Entgegenkommen bei den Strafzöllen. Sie bezeichnen es als „unakzeptabel“ und (im Falle Trudeaus) „beleidigend“, dass Trump seine protektionistische Maßnahme damit begründet, ausländische Stahlexporte gefährdeten die „nationale Sicherheit“. Außerdem verlangen die Europäer, dass sie im Falle des einseitig von Trump geschredderten Atomvertrages mit dem Iran von Wirtschaftssanktionen gegen Firmen ausgenommen werden, die legal mit Teheran Geschäfte machen. In beiden Punkten hat das Weiße Haus bislang keine Milde signalisiert. Im Gegenteil. Der Präsident werde mit „Angriffslust“ für die Belange Amerikas streiten, sagte ein Referent. Trumps oberster Wirtschaftsberater Larry Kudlow dämpfte nachdrücklich die Hoffnungen, im Zollstreit zu einer gütlichen Einigung zu kommen. Auf die Frage, ob Washington einen von der EU angestrengten Schiedsspruch der Welthandelsorganisation (WTO) gegen die US-Zölle akzeptieren werde, entgegnete der Hobby-Ökonom kühl: „Multilaterale internationale Organisationen werden nicht die amerikanische Politik bestimmen.“

Dass Kudlow lapidar von einem „Familienstreit“ im Kreis der G7 spricht, wird der Lage nach Ansicht von Experten nicht gerecht. Ian Bremer, Chef der Politikberatungsfirma Eurasia Group, hat bereits das Wort vom „G0-Gipfel“ geprägt, von einer „führungslosen Welt“, weil Präsident Trump immer häufiger über Jahrzehnte gewachsene Streitschlichtungsorgane (WTO, Nato, UN) als Bremsklötze für seine America-First-Politik abqualifiziere. Worauf EU-Diplomaten in Washington inoffiziell so reagieren: „Es macht keinen Sinn mehr, sich hinter Höflichkeiten zu verstecken.“

Bei den Staats- und Regierungschefs, die bis Sonnabendabend in einem halben Dutzend Arbeitssitzungen zusammenkommen, hört sich das etwas diplomatischer an. „Es werden schwierige Gespräche“, sagen sowohl Gastgeber Trudeau, der eigentlich Themen wie Geschlechtergerechtigkeit, Meeresschutz und erneuerbare Energien in den Mittelpunkt rücken wollte, wie auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).

Keiner der G6-Chefs erwartet, dass Trump von seinem Mantra abweicht, wonach Amerika über Jahre beim Handel vom Rest der Welt über den Tisch gezogen worden sei und nun zurückschlagen müsse. Wer sich dem in den Weg stellt, hat kuriose Konter zu gewärtigen. Als Justin Trudeau jüngst mit Trump wegen der Zölle am Telefon in Streit geriet, bellte Trump: „Wart ihr es nicht, die das Weiße Haus niedergebrannt haben.“ Trudeau traute seinen Ohren nicht. Tatsächlich wurde im Nachgang des Krieges von 1812 das Weiße Haus abgefackelt. Die Täter aber waren die Engländer. Vielleicht spricht Trump die britische Premierministerin Theresa May ja heute darauf an.