Brüssel.

Das Deutsche Technikmuseum in Berlin, der Kulturstandort Zeche Zollverein in Essen oder der Energieberg Georgswerder in Hamburg haben eines gemeinsam: Für den Ausbau oder die Sanierung der Projekte hat die Europäische Union Millionen Euro aus ihren Fördertöpfen bereitgestellt. Insgesamt 19,7 Milliarden Euro stehen Deutschland für den Zeitraum 2014 bis 2020 aus den zentralen EU-Strukturfonds zu – für regionale Entwicklungsvorhaben wie den Baumwipfelpfad im niedersächsischen Bad Harzburg, für die Eingliederung von Langzeitarbeitslosen in Dortmund oder Forschungsvorhaben zur Mikro-Nanotechnologie an der thüringischen TU Ilmenau.

Doch künftig wird sich die EU nicht mehr so stark an der deutschen Regionalentwicklung beteiligen wie bisher. Wenn es nach den Plänen der EU-Kommission geht, werden die Strukturfonds-Mittel für Deutschland im neuen Sieben-Jahres-Budget um fast 21 Prozent auf nur noch 15,7 Milliarden Euro gekürzt. „Nach dem Austritt Großbritanniens aus der EU kommen wir um Kürzungen nicht herum“, verteidigt EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger (CDU) seinen Vorschlag. Länder wie Polen oder Ungarn müssten noch höhere Einschnitte hinnehmen.

Doch bei den betroffenen Bundesländern stoßen seine Pläne auf zunehmende Besorgnis: „Für die Flächenländer ist das eine herbe Enttäuschung und ein großer Verlust“, sagte die Vorsitzende der Europaminister-Konferenz, die niedersächsische Ministerin Birgit Honé (SPD), dieser Zeitung in Brüssel. Dort hatten die Europaminister der Länder unter anderem über Oettingers Finanzplanung beraten, beim abendlichen Kamingespräch auch mit Oettinger selbst: „Wir sind besorgt und betroffen“, sagt Honé. Die Länder wollten dafür kämpfen, dass die Kürzungen nicht so massiv ausfallen. Das gilt für Regionalförderung, aber auch für geplante Einschnitte bei den Agrarhilfen.

Am genauen Schlachtplan müssen die Bundesländer allerdings noch feilen – die Interessenlagen sind je nach regionaler Struktur unterschiedlich. Und anerkannt wird in den Landesregierungen auch, dass die EU-Kommission mit dem Abbau von Förderbürokratie oder einer Erhöhung der Mittel für Forschung auf dem richtigen Weg sei. Klar ist bereits, dass die Länder nicht einfach eine pauschale prozentuale Aufstockung der EU-Fonds verlangen: „Wir sind uns einig, dass wir keine Gießkanne wollen“, sagt NRW-Europaminister Stephan Holthoff-Pförtner. Der CDU-Politiker, der im Juli den Vorsitz der Europaministerkonferez übernimmt, hat zwar schon klargemacht, dass weiter EU-Gelder für das Ruhrgebiet benötigt würden, vor allem für Digitalisierung und Verkehr. Er betont aber auch, der gemeinsame europäische Mehrwert müsse im Vordergrund stehen. Wenn die 22 Hochschulen des Ruhrgebiets mit EU-Förderung ihre europäischen Kooperationen ausbauten, sei das wichtiger als die Entwicklung von Grünflächen.

In Ostdeutschland ist der Unmut indes größer als im Westen: Die neuen Länder erhalten schließlich wegen ihres Nachholbedarfs in der laufenden Förderperiode mit acht Milliarden Euro den größten Batzen aus den Strukturfonds. Die EU-Förderung habe sehr viel zum erfolgreichen Aufholprozess der neuen Länder beigetragen, sagt der Sprecher der ostdeutschen CDU-Abgeordneten im EU-Parlament, Hermann Winkler, dieser Zeitung. „Dieser Prozess ist lange noch nicht abgeschlossen“, warnt er. Eine Kürzung um 20 Prozent setze „all das bisher Erreichte aufs Spiel“ – zumal für Ostdeutschland 2019 auch der Solidarpakt auslaufe. Winkler fordert deshalb, die Bundesregierung müsse alles tun, um eine derart abrupte Absenkung der Strukturfondsmittel zu verhindern. Auch Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) spricht gegenüber dieser Zeitung von „gravierenden Kürzungen“, die sein Bundesland vor große Herausforderungen stellen. Die Landesregierung werde ihren Einfluss auf Bundes- und Europaebene nutzen, um die Folgen der EU Fördermittel Kürzungen so weit wie möglich abzumildern.

Der Spielraum ist allerdings begrenzt. Der EU-Haushalt steht unter Druck: Durch den Brexit fällt Großbritannien als der nach Deutschland wichtigste Nettozahler aus. Gleichzeitig sind sich die Mitgliedstaaten einig, mehr Geld für Grenzschutz, Verteidigung, Forschung oder die Bekämpfung von Fluchtursachen auszugeben. Auf Deutschland kommen deshalb nach Oettingers Rechnung jährliche Mehrzahlungen in den EU-Haushalt von zwölf Milliarden Euro zu – trotz der Ausgabekürzungen. Im EU-Parlament sieht man einen Ausweg: Der EU-Haushalt solle sich weniger aus nationalen Beiträgen finanzieren, sondern mehr durch eigene Mittel, auch durch eigene Steuereinnahmen. „Die EU braucht für ihre Aufgaben mehr Geld“, sagt der SPD-Haushaltsexperte im EU-Parlament, Jens Geier. Er warnt, überzogene Kürzungen gerade bei den Strukturfonds wären ein falsches Signal: „Die Bürger müssen spüren, dass die EU für sie da ist.“ Doch Haushaltskommissar Oettinger kämpft an einer ganz anderen Front: Eine Reihe von EU-Mitgliedstaaten, Österreich und die Niederlande etwa, lehnen Mehrzahlungen an die EU strikt ab.

Österreichs Kanzler Sebastian Kurz warnt, es könne nicht sein, dass trotz der Verkleinerung der EU nach dem Brexit der Haushaltsrahmen steigen solle. Die EU müsse sparen, etwa bei der Zahl der EU-Kommissare. Das reicht nicht, sagt Oettinger. Beim Mittagessen der Kommission mit Kurz kam es am Mittwoch in Brüssel beim Thema Budget zur heftigen Konfrontation. „Sportlich“ sei die Aussprache gewesen, berichten Teilnehmer. Selbst der stets positiv gestimmte Oettinger hatte Mühe, dem Treffen etwas Gutes abzugewinnen. „Es gab guten Weißwein, guten Rotwein“, berichtete er danach bei einem Vortrag in der NRW-Landesvertretung. Der Rest? Schweigen.

Für Oettinger ist der Widerstand aus Wien bedrohlich, weil Österreich ab Juli die Ratspräsidentschaft übernimmt und dann großen Einfluss darauf hat, ob die Budgetpläne schnell beschlossen oder auf die Zeit nach der Europawahl im Mai 2019 verschoben werden. Am Donnerstag gab sich der Haushalts-Kommissar aber schon wieder zuversichtlich: Bei gutem Willen müsse bis März 2019 eine Einigung auf das Sieben-Jahres-Budget möglich sein.