Berlin.

Am Ende der gut 60 Minuten parlamentarischen Kreuzverhörs hat Angela Merkel das letzte Wort: „So schade wie es ist, es ist halt zu Ende. Ich komm ja wieder.“

Man muss sich fragen, warum die CDU und ihre Vorsitzende sich eigentlich so lange gewehrt haben: Die erste Befragung eines deutschen Regierungschefs durch die Abgeordneten jedenfalls bot eher der Kanzlerin eine Bühne, als dass die Opposition Merkel inhaltlich vorführen konnte.

Die 63 Jahre alte Regierungschefin pariert die 30 Fragen durchweg routiniert und sachlich, teils humorvoll. Bei Provokationen bleibt sie gelassen. Dass von den Fragestellern nicht inhaltlich nachgefasst werden kann, nutzt Merkel allerdings für sich. Manchmal antwortet sie ausweichend, geht nicht auf die konkrete Frage ein. Allerdings bleiben auch viele Erkundigungen der Parlamentarier aller Fraktionen ungenau.

Die Regierungsbefragung ist ein Novum, für das die SPD in den Koalitionsverhandlungen gekämpft hat: Dreimal jährlich soll die Bundeskanzlerin im Bundestag befragt werden. Merkels Wunsch war das nicht. Für die erste Befragung der Kanzlerin wurde nun eine Stunde vereinbart. Parlamentspräsident Wolfgang Schäuble trägt zu Beginn die Regeln vor: Frage und Antwort jeweils höchstens eine Minute. Eine Ampel an den Uhren schaltet nach 30 Sekunden auf Gelb, um auf das Ablaufen der Redezeit hinzuweisen. Nachfragen sind nicht erlaubt.

Merkel antwortet 60 Minuten lang im Stehen

Merkel beginnt mit einem fünfminütigen Ausblick auf den G7-Gipfel am Freitag und Sonnabend in Kanada. Sie erklärt etwas hölzern die Tagesordnung zwischen Handelsstreit, Plastikmüll in den Meeren und mehr Bildung für Mädchen. Die ersten Fragen sollen sich nur um G7 drehen, so ist es zwischen den Fraktionen verabredet. Zuerst zu Wort kommt der parlamentarische Geschäftsführer der stärksten Oppositionsfraktion, Hansjörg Müller von der AfD. Er fragt Merkel, ob sie ihren „des­truktiven, US-hörigen deutschen Sonderweg“ im Umgang mit Russland aufgeben möchte. Merkel ist zu Beginn ihrer Ausführungen aufgestanden und wird auch die gesamte Zeit über stehen bleiben. „Ich bin für Gespräche mit Russland“, sagt sie. „Allerdings auch im Blick auf die Differenzen, die wir haben.“ Die zweite Frage kommt von der SPD, handelt vom Zusammenhalt der G7-Staaten. Die SPD steht in einer Regierungskoalition mit der Union, kann ihre Munition nicht wirklich abfeuern. Überhaupt bleiben die Fragesteller der Fraktionen thematisch bei den Kernthemen ihrer Parteien, bieten Merkel somit Raum zum Ausweichen.

Die Grünen sind vor allem an Umwelthemen wie dem Klimaabkommen oder dem Plastikmüll interessiert. Knappe Zusammenfassung der Antworten: Das Abkommen findet Merkel wichtig, den Müll im Meer findet sie schlecht. FDP-Chef Christian Lindner befürchtet eine Verwässerung der Stabilitätskriterien für die Eurozone und fragt, ob das Thema im Kabinett gewesen sei. Merkel weist Ersteres zurück, auf das Kabinett geht sie gar nicht ein. Lindner beklagt im Anschluss, dass Fragen ohne Nachfragen „keinen echten Erkenntnisgewinn“ brächten. Man werde in den nächsten Wochen am Verfahren auf jeden Fall feilen.

Der AfD-Bundestagsabgeordnete Gottfried Curio brüskiert das gesamte Parlament mit dem Vorwurf an Merkel, sie habe 2015 ohne Not und bewusst eine „Migrantenflut“ losgetreten. Am Ende der betont ausländerfeindlichen Ausführung fragt er die Kanzlerin: „Wann treten Sie zurück?“

Schäuble zeigt sich bei der Redezeit meist gnädig

Die CDU-Vorsitzende antwortet sachlich, spricht von einer „außergewöhnlichen humanitären Situation“ im Jahr 2015 und erhält den Beifall der Mehrheit des Parlaments. Sie macht auch deutlich, dass sich eine solche Situation nicht wiederholen dürfe. Außerdem dankt sie in diesem Zusammenhang den Mitarbeitern des Bundesamtes für Mi­gration und Flüchtlinge (Bamf). Diese hätten in einer „außergewöhnlich schwierigen Situation“ in einer schnell wachsenden Behörde gearbeitet, das sei eine „große Leistung“ gewesen. Überhaupt geht Merkel zu den Missständen im Bamf, großes politisches Thema dieser Wochen, in die Offensive. Natürlich habe es Spannungen gegeben, sonst hätte sie den erfahrenen Frank-Jürgen Weise nicht eingestellt als Übergangschef. Und ja, sie habe sich häufig mit ihm über die Zustände ausgetauscht.

Die Kanzlerin hält meistens die Antwortzeit ein, Schäuble lässt jedoch auch die Fragesteller gewähren, wenn sie ein paar Sekunden mehr brauchen. Einen Einwurf der AfD deswegen würgt er ab: „Kehren Sie erst mal vor der eigenen Haustür.“ Der erste AfD-Fragesteller überzog ebenfalls die Zeit.

Die Linke bemängelt die sozialen Zustände im Land, fragt Merkel ein ums andere Mal, was sie davon halte. Die Antwort: Als sie Bundeskanzlerin wurde, habe es fünf Millionen Arbeitslose gegeben, jetzt habe man die geringste Arbeitslosigkeit seit der Wiedervereinigung. Punkt für die CDU-Chefin.