Berlin.

28. Mai 2016, Parteitag der Linken im Magdeburg. Ein Aktivist wirft Sahra Wagenknecht eine Schokoladentorte ins Gesicht. Das schweißt die sonst so zerstrittene Linke zusammen. Katja Kipping sagt: „Das war nicht nur ein Angriff auf Sahra, das war ein Angriff auf uns alle.“

Zwei Jahre später. Am Freitag beginnt der Parteitag der Linken, diesmal in Leipzig. Die Fronten haben sich längst wieder verhärtet. Es geht unter anderem um die Ausrichtung in der Flüchtlingsfrage. Und auch um Wagenknechts Idee einer linken Sammlungsbewegung nach dem Vorbild des Franzosen Jean-Luc Mélenchon.

Sahra Wagenknecht gegen Katja Kipping. Fraktionschefin gegen Parteichefin. Zwei Frauen, die erbittert um die Vorherrschaft bei der Linken kämpfen. Co-Fraktionschef Dietmar Bartsch und Co-Parteichef Bernd Riexinger spielen eher Nebenrollen.

Wagenknechts Vorteil: Sie ist eine schillernde Figur, prominent, Dauergast in den Talkshows. Kippings Vorteil: Die Partei, so sieht es zumindest aus, will keine härtere Flüchtlingspolitik. In einem Leitantrag für den Parteitag wird für legale Fluchtwege und offene Grenzen geworben. Mit diesem Leitantrag möchte Kipping Wagenknecht auf die Flüchtlingspolitik der Parteispitze festlegen.

Nach der Bundestagswahl begann der Schlagabtausch

Im Bundestagswahlkampf wurde der Konflikt nicht öffentlich ausgetragen. Doch mit der Schließung der Wahllokale am 24. September 2017 war es mit dem innerparteilichen Burgfrieden vorbei. Die Linke lag bei 9,2 Prozent, ein Plus von 0,6 Prozentpunkten. Oskar Lafontaine, Ex-Parteichef und Ehemann Wagenknechts, schrieb auf Facebook: Die Linke habe bei Arbeitslosen und Arbeitern wegen ihrer verfehlten Flüchtlingspolitik schlecht abgeschnitten. Kipping konterte: „Es wäre verheerend, wenn die Linke in der Flüchtlingspolitik versuchen würde, die CSU des Ostens zu werden.“

In diesem Stil geht es weiter. Zwischenzeitlicher Höhepunkt: Auf der Fraktionsklausur im Oktober 2017 in Potsdam gibt es Ärger, weil ein Antrag vorliegt, nach dem die Parteispitze im Fraktionsvorstand mitbestimmen darf. Wagenknecht schreibt einen Brief, droht mit Rücktritt. Ihr Vorwurf: Kipping und Riexinger versuchten, sie „wegzumobben“. Schließlich setzen sich Wagenknecht, Kipping, Bartsch und Riexinger in einen Raum mit Glaswänden und finden doch noch einen Kompromiss, die Kameras beobachten sie dabei. Wie angespannt die Situation ist, zeigt eine Szene danach: Riexinger begrüßt die Journalisten, da fährt Wagenknecht ihm dazwischen: „Bernd, das ist die Pressekonferenz der Fraktion ...“ Die Linke – ein Fall für einen Mediator.

Streit um die Sammlungsbewegung

Zuletzt dann der Brief, unterzeichnet von 25 der 69 Linke-Abgeordneten. Mit Erstaunen nehme man Wagenknechts „wiederholt öffentlich vorgetragene Kritik“ zur Kenntnis, hieß es darin. „Wir würden es begrüßen, wenn ab sofort wieder das Bundestagswahlprogramm der Partei Grundlage auch des öffentlichen Wirkens der Fraktionsvorsitzenden wird.“

Davor hatte Wagenknecht in einem Interview gesagt: „Eine Partei, in der es ständig Streit und interne Reibereien gibt, wird nicht gut geführt.“ Sie würde sich wünschen, „dass sich die Parteispitze auf ihre Aufgabe konzentriert“, statt „gegen die Fraktionsspitze zu agieren“.

Wer hat nun recht? Kommt drauf an, wen man fragt.

Jan van Aken, Mitglied des Parteivorstands, sieht es so: „Ich habe den Eindruck, das Problem liegt eher bei Sahra Wagenknecht.“ Kipping und Riexinger seien sehr integrativ, böten immer Gespräche und Kooperation an. „Aber leider verweigert sich Sahra Wagenknecht da regelmäßig.“ Die Partei stehe gut da, habe viele neue junge Mitglieder, sagte der ehemalige Bundestagsabgeordnete dieser Redaktion. „Es herrscht eine Aufbruchstimmung.“ Wagenknechts Sammlungsbewegung versteht van Aken nicht: „Die Linke ist ja schon eine Sammlungsbewegung.“

Fundamental anders sieht es Sevim Dagdelen, Vize-Fraktionschefin. „Die Versuche, Sahra Wagenknecht in die rechte Ecke zu stecken, müssen aufhören. Wer zudem meint, Teile der Linken implizit als Rassisten diffamieren zu können, nur um kurzfristig innerparteiliche Geländegewinne zu erzielen, richtet schweren politischen Schaden an.“ Ihr Eindruck sei es, „dass dieses organisierte Mobbing gegen die populärste Politikerin unserer Partei auf immer mehr Unmut stößt“, sagte sie dieser Redaktion. Eine Sammlungsbewegung hält sie für zeitgemäß: „Wir dürfen nicht tatenlos zusehen, wenn die AfD immer stärker wird.“

Zumindest so viel lässt sich sagen: Die Linke ist vor dem Parteitag so tief zerstritten wie lange nicht mehr.