Washington. Bill Clinton veröffentlich einen Thriller. Es geht um Terroristen, Computerviren – und starke Frauen

    Der leichte Verdruss fängt schon auf dem Buchrücken an: „The President is missing“ (Präsident vermisst). Da denkt man doch mindestens an Entführung. Und heldenhafte Rettung. In Wahrheit aber ist Jonathan Lincoln Duncan – abgesehen von einer kühnen Undercover-Aktion, die ihn aus Weltrettungsgründen aus dem Weißen Haus führt – so gar kein bisschen verschwunden. Sondern als omnipotenter Ich-Erzähler im Stile von Francis Underwood in „House of Cards“ ständig präsent.

    Warum Amerikas Altpräsident Bill Clinton bei seinem jetzt mit einer Startauflage von einer Million Exemplare erschienenen Debüt als Romancier dennoch auf diesen Titel verfiel, erschließt sich auch nicht, wenn man dem Co-Autor des 71-Jährigen zuhört. James Patterson, 375 Millionen Mal erfolgreich gewesener Fließbanderfolgsautor in der Sparte Thriller, hat dem Erstlingswerk von Potus Nr. 42 wenigstens jene vorwärtstreibende Dynamik geliehen, die die teilweise ermüdenden Längen und etwas durchhängenden Spannungsbögen leichter erträglich machen.

    Dabei ist der Stoff süffig und zeitaktuell. Suliman Cindoruk, Terror-Schurke und Chef der „Söhne des Dschihads“, will Amerika mit einem Computervirus flächendeckend in die Knie zwingen. Und Duncan droht die Amtsenthebung. Das zerstörerische Dings namens „Dark Ages“ (Finsteres Mittelalter) ist von einer attraktiven Separatistin entwickelt worden, deren Beschreibung aus Bildunterschriften der „Praline“ stammen könnte: „strammer, agiler Körper“ und ein „unersättlicher Appetit auf Erforschung in der Welt des Cyberkriegs und des Schlafzimmers“.

    Apropos Frauen: Die interessantesten Charaktere des Buches (neben der Virus-Fachfrau, der Vizepräsidentin, der Direktorin des FBI, Duncans Leibärztin und einer klassische Musik liebenden Auftragskillerin namens „Bach“, die ihr Gewehr „Anna Magdalena“ nennt) sind weiblich und dominant. Was die zuweilen schablonenhaft geratenen Alt-Männer-Dialoge und Sinnsprüche in den für spätere Verfilmungen (der „Homeland“-Sender Showtime hat die Rechte gekauft) erfundenen Jagdszenen im Auto und im Helikopter nicht aufwiegt. Die „Washington Post“ schrieb: „The president is missing“ enthalte so viele Geheimnisse über die innere Mechanik der amerikanischen Regierung wie „Der rosarote Panther“ Intimes über das Wesen der französischen Administration verrate. Sprich: zero. Stimmt.

    Donald Trump kommt glücklicherweise an keiner Stelle explizit vor. Sein Ungeist ist aber permanent vorhanden, wenn Duncan die Seuche der Fake News anprangert oder über gute Regierungsführung sinniert. „Sich mit Kriechern und Stiefelleckern zu umgeben“, sagt der Präsident an einer Stelle, „ist die kürzeste Route zum Scheitern.“