Berlin/Gütersloh.

Eltern können rechnen. Sie wissen, dass Qualität ihren Preis hat. Die meisten wissen auch, dass der Staat nicht für alles allein aufkommen kann. „Wären Sie bereit, einen höheren Eltern-Beitrag zu zahlen, wenn sich dafür die Qualität der Kita verbessern würde?“, haben Experten der Bertelsmann Stiftung jetzt mehrere Tausend Eltern in ganz Deutschland gefragt. Das Ergebnis: Mehr als 50 Prozent der Mütter und Väter würden für bessere Kitas tiefer in die Tasche greifen – um mehr Personal, höhere Erziehergehälter, bessere Ausstattung und flexiblere Öffnungszeiten zu fördern. Die andere Hälfte allerdings will das nicht – oder kann es nicht. Ein wichtiger Grund dafür: Dort, wo heute noch Kita-Gebühren erhoben werden, sind Geringverdiener oft unverhältnismäßig stark belastet.

Was müssen Eltern für einen
Kitaplatz bezahlen?

Die Länder sind seit Jahren dabei, Eltern von Kita-Gebühren zu entlasten – etwa durch beitragsfreie Jahre, Regelungen für Geschwisterkinder und nach Einkommen gestaffelte Gebühren. Dennoch ist die Belastung extrem ungleich verteilt, wie die Studie der Bertelsmann Stiftung zeigt: Haushalte unterhalb der Armutsrisikogrenze müssen im Bundesdurchschnitt einen fast doppelt so hohen Anteil ihres Einkommens für den Kita-Beitrag ihrer Kinder aufbringen wie wohlhabendere Eltern: Mütter und Väter, die über weniger als 60 Prozent eines durchschnittlichen Einkommens verfügen, zahlen monatlich durchschnittlich 118 Euro und damit zehn Prozent ihres Einkommens für den Kita-Besuch, Eltern oberhalb der Armutsrisikogrenze zahlen dagegen nur rund fünf Prozent des Einkommens, im Durchschnitt 178 Euro. Das gleiche Bild zeigt sich bei den Zusatzkosten für Ausflüge, Verpflegung oder Bastelmaterialen: Auch hier sind ärmere Haushalte mehr als doppelt so stark belastet wie wohlhabendere: Sie zahlen dafür 3,3 Prozent ihres Haushaltsnettoeinkommens, während wohlhabende Familien lediglich 1,4 Prozent aufwenden müssen. Diese Zusatzgebühren werden in der Regel unabhängig von der finanziellen Situation der Familie veranschlagt – sie liegen laut Studie pro Monat im Schnitt bei rund 45 Euro.

Hinzu kommen erhebliche regionale Unterschiede zwischen den Bundesländern – aber auch zwischen einzelnen Städten. In Schleswig-Holstein zahlen Familien im Ländervergleich im Schnitt am meisten, in Berlin am wenigsten. Das bevölkerungsreichste Bundesland Nordrhein-Westfalen liegt im oberen Mittelfeld (siehe Tabelle). Die Ergebnisse beruhen laut Stiftung auf zwei Befragungen von insgesamt 10.490 Eltern.

Kommt bald überall in Deutschland die Beitragsfreiheit?

Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) will die Länder dabei unterstützen, die Gebühren schrittweise abzuschaffen. Mit dem „Gute-Kita-Gesetz“, das noch vor der Sommerpause ins Kabinett kommen soll, erhalten die 16 Bundesländer in den kommenden drei Jahren 3,5 Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt: Sie sollen individuell entscheiden, wie sie die Mittel einsetzen – für eine Beitragssenkung, aber auch für mehr Personal, bessere Ausstattung oder mehr Sprachförderung. Ein bundesweites Beitragsende ist damit weder zu erwarten noch geplant.

Giffey will jedoch zumindest einen Einstieg in die Beitragsfreiheit erreichen, um möglichst viele Kinder in die Kitas zu holen. Denn: Hohe Elternbeiträge können eine Hürde für den Kita-Besuch sein. „Das Einkommen der Eltern darf nicht darüber entscheiden, ob und wann Kinder in eine Kindertageseinrichtung gehen“, sagt die SPD-Politikerin. Eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) hatte gerade erst gezeigt, dass derzeit rund sechs Prozent der über Dreijährigen nicht in die Kita gehen. In jedem vierten Fall geben die Eltern an, dass der Kita-Besuch für sie zu teuer sei.

Keine Kita-Beiträge, aber gleichzeitig bessere Qualität – geht das?

Um sämtliche Eltern in Deutschland von Kita-Beiträgen zu befreien, wären nach Berechnungen der Bertelsmann Stiftung jedes Jahr 5,7 Milliarden Euro nötig. Würden auch noch die Zusatzkosten für Essen, Bastelzeug und Ausflüge komplett vom Staat übernommen, kämen weitere 1,6 Milliarden dazu. Da es in vielen Kommunen zudem nach wie vor viel zu wenige Kitaplätze für die wachsende Nachfrage gibt, kommen weitere Milliarden für den Ausbau hinzu. Die Bertelsmann-Studie beziffert die jährlichen Gesamtkosten für Qualitätsausbau und Beitragsfreiheit mit 15 Milliarden Euro. Eine Summe, bei der dem Finanzminister der Schweiß ausbricht, die bei der Opposition aber für Genugtuung sorgt.

„Die Studie bestätigt unsere Befürchtungen“, sagt FDP-Fraktionsvize Katja Suding. „Das sogenannte Gute-Kita-Gesetz hält bei Weitem nicht, was es verspricht.“ Es sei mit den geplanten Mitteln von 3,5 Milliarden bis 2021 unmöglich, mehr Qualität bei gleichzeitigen Beitragssenkungen zu erreichen. „Bundesfamilienministerin Giffey muss den Eltern reinen Wein einschenken und ihnen sagen, dass eine Beitragsfreiheit zwangsläufig zur Verschlechterung des Personalschlüssels und der Betreuungsqualität führen wird.“

Das wiederum wäre eine Rechnung zulasten der Kinder: Qualitätsunterschiede in der Betreuung können laut Experten bei den betroffenen Kindern Entwicklungsunterschiede von bis zu einem Lebensjahr zur Folge haben – das gilt insbesondere für Kinder aus sozial belasteten Familien. „Aktuell ist zu befürchten, dass die Qualität auf der Strecke bleibt“, warnt auch Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsmann Stiftung.

Angesichts begrenzter öffentlicher Mittel sollten daher nur Geringverdiener entlastet werden: „Wir brauchen eine Befreiung einkommensschwacher Familien von Kita-Kosten“, so Dräger. Kostenpunkt: rund 730 Millionen Euro pro Jahr. Eine Entlastung aller Eltern sei weder von denen gewünscht noch angemessen: „Bundesweit fehlen Erzieherinnen und Erzieher, und die Betreuungsschlüssel stimmen in vielen Kitas nicht. Jetzt alle Eltern zu entlasten, würde den politischen Handlungsspielraum für den Qualitätsausbau unnötig verengen.“ Zumal sogar viele Familien, die kaum einen Euro übrig haben, sagen: Für gute Qualität legen sie gern noch was drauf.