Berlin. Die Bundestagsarbeit stellt sich für die Partei als mühsam heraus. Eine Demonstration in Berlin soll wieder für mehr Aufmerksamkeit sorgen

    Dass eine Partei, die im Bundestag vertreten ist, zum außerparlamentarischen Protest aufruft und eine Großdemonstration in der Hauptstadt organisiert – das hat es in dieser Form noch nicht gegeben. Der AfD reicht es ganz offensichtlich nicht, die größte Oppositionskraft im Parlament zu stellen und dort die politische Bühne für ihre Botschaften zu nutzen – sie trägt den politischen Streit auf die Straße. Hauptgrund dafür ist das Selbstverständnis der AfD. Die Partei wurde stark durch Protest – zuerst gegen den Euro, dann gegen die Zuwanderung, inzwischen vor allem gegen „die da oben“. Nun sucht die AfD den Weg zurück auf die Straße.

    Die von der Partei als „Tag der Abrechnung“ mit der Regierung angekündigte Demonstration an diesem Sonntagmittag mit einer Kundgebung vor dem Brandenburger Tor ist somit wesentlicher Bestandteil einer Strategie der AfD: Parlament allein reicht ihr nicht.

    „Wir sind eine alternative Partei, wir gehen parallel auf die Straße“, sagt Guido Reil. Der Essener ist ein ehemaliger Sozialdemokrat, der zur AfD wechselte und die Berliner Demonstration organisierte. Parteivize Georg Pazderski sieht die Demo auch als „ein Signal nach außen: Hier ist eine Partei, die geht für eure Zukunft auf die Straße. Und sie fordert euch auf: Macht mit.“ Er sagt: „Wir wollen die Menschen wieder politisieren.“

    Allerdings scheint das Echo auf das Signal nicht so vielstimmig auszufallen wie die AfD-Spitze sich das erhofft hatte. Laut Polizei wurden für die Demonstration ursprünglich rund 12.000 Teilnehmer angemeldet. Inzwischen spricht Organisator Reil von 2500 als Mindestzahl, 5000 Teilnehmer wären für ihn schon „ein großer Erfolg“. Das Feld der Gegendemonstranten dürfte deutlich größer ausfallen. Laut Parteispitze würden sich viele Anhänger der Partei nicht öffentlich zur AfD bekennen – angeblich aus Angst vor Ausgrenzung im privaten Umfeld oder am Arbeitsplatz. Reil: „Da weiß man, man geht ein Risiko ein.“

    Um die Demo möglichst machtvoll werden zu lassen, griff die AfD in Rheinland-Pfalz sogar zu einer ungewöhnlichen Maßnahme. Sie zahlt einigen Teilnehmern einen Zuschuss. Insgesamt stünden dafür 1500 Euro zur Verfügung, sagte Parteisprecher Robin Classen in Mainz. Die ersten 30 Demonstranten, die sich melden, sollen demnach jeweils 50 Euro erhalten.

    Politikexperten sind skeptisch, ob das Kalkül der AfD aufgehen wird. „Die Politisierung läuft bei der AfD über Themen, die in der Regel strategisch in einer Verpackung mit Regelverletzung oder Tabubruch daherkommen“, sagte Karl-Rudolf Korte, Politikforscher der Universität Duisburg-Essen, unserer Redaktion. „Demos auf der Straße sind klassische Varianten in einer pluralen Demokratie. Sie sind als Format eher retro und eignen sich nicht als Tabubruch.“

    „Dass die AfD zu einer Demonstration aufruft, ist natürlich legal und auch politisch ein legitimes Mittel der Mobilisierung der eigenen Anhängerschaft“, findet Robert Vehrkamp, Politikexperte der Bertelsmann Stiftung in Gütersloh. „Problematisch ist aber, dass die AfD dabei den Anspruch erhebt, sie repräsentiere ,das Volk‘ und sei ,die Stimme des Volkes‘“, sagte Vehrkamp unserer Redaktion. „Die AfD stellt allmählich fest, wie schwierig es ist, ihre Anhänger allein über die Arbeit im Bundestag zu mobilisieren“, konstatiert Vehrkamp. „Der Bundestag ist ja in erster Linie ein Arbeits- und kein reines Debattenparlament. Und die AfD tut sich noch schwer damit, ihre Wahlparolen und -slogans nun auch mit konkreten Inhalten und eigenen Konzepten zu füllen.“