Washington .

Heiko Maas braucht in diesen Tagen vor allem Nehmer-Qualitäten. Am Mittwochmittag kommt der Außenminister aus dem Weißen Haus in Washington. Er hat gerade ein 75-minütiges Gespräch mit US-Sicherheitsberater John Bolton geführt. Es war eine schwierige Unterredung, vor allem über das internationale Atomabkommen mit Teheran, bei dem die Amerikaner den Stecker gezogen haben. „Wir, aber auch unsere europäischen Partner werden alles dafür tun, dass der Iran in diesem Abkommen bleibt“, sagt Maas. Er redet langsam, ­bedächtig, blickt ernst. Die Vereinbarung berühre „unsere unmittelbaren Sicherheitsinteressen“. Es dürfe keine Nuklear­waffen „in unserer erweiterten Nachbarschaft“ geben.

Die tiefen Differenzen zwischen Bolton und Maas sind unverkennbar. Bolton ist einer der größten Hardliner im Kabinett von US-Präsident Donald Trump. Er hatte in der Vergangenheit gefordert: „Um den Iran von der Bombe abzuhalten, muss man ihn bombardieren.“ Der Außenminister gibt sich skeptisch: „Wir machen uns, was den weiteren Weg angeht, durchaus Sorgen um das transatlantische Verhältnis.“ Man wolle aber mit Amerika im „offenen Dialog“ bleiben, auch wenn man „unterschiedliche Auffassungen“ habe.

Maas war vorgewarnt. Am Montag hatte Außenminister Mike Pompeo bereits eine schroffe Kampfansage gegen das iranische Regime gestartet. Die Art und Weise, wie der frühere CIA-Chef den Atom-Deal mit Teheran zerpflückt hatte, die unverhohlene Drohung, durch härtesten wirtschaftlichen Druck einen Regime-Wechsel zu erzwingen, warf Schatten auf Maas’ Antrittsbesuch in Washington.

Klare Kante zeigen, aber jedwede Polemik vermeiden, das hat sich Maas vorgenommen. Es dürfe „keine nachhaltigen Schäden“ im Verhältnis zwischen den USA und Europa geben, mahnt er. Doch mit der Wucht der amerikanischen Iran-Politik hat der Mann aus Berlin wohl nicht gerechnet. Denn Pompeo, den Maas am späten Mittwochnachmittag traf, war für den Deutschen bislang so etwas wie ein Hoffnungsträger. Er hat ihn beim Nato-Gipfel Ende April in Brüssel getroffen und bislang zweimal mit ihm telefoniert – zuletzt am Montag vergangener Woche. Der Amerikaner höre zu, habe den Eindruck eines konstruktiven und pragmatischen Gesprächspartners gemacht, heißt es im Auswärtigen Amt. Gegenüber den rhetorisch scharf formulierenden Haudrauf-Politikern wie Präsident Trump und Bolton könne er sich als ausgleichendes Element erweisen – so das optimistische Szenario. Nach Pompeos Iran-Rede vom Montag hat sich dieser Wunsch wohl als Illusion entpuppt.

Doch es ist nicht nur der Politik-Stil, der Amerika auf der einen und Deutschland und Europa auf der anderen Seite trennt. Der Streit über den Umgang mit dem Iran könnte zu einem ähnlichen Zerwürfnis führen wie die heftigen transatlantischen Auseinandersetzungen rund um den Irak-Krieg 2003. Im deutschen Außenministerium kursiert das Horror-Szenario, dass der Iran aus der Vereinbarung aussteigen könnte. Die Hardliner in Teheran, die das Papier von Beginn an bekämpft hatten, könnten das Atom-Programm wieder anwerfen. Die Folge: UN-Sanktionen, Stopp der Öl-Exporte, wirtschaftlicher Zusammenbruch. Die Amerikaner sagen: Das iranische Volk und damit die Demokratie siegen. Die Europäer warnen hingegen: Das Land versinkt im Chaos, das Pulverfass Nahost wird noch explosiver.

Verschärft wird der Dissens durch die Bulldozer-Politik in Washington. Die USA fordern unverblümt Gefolgschaft ein. „Wir wollen die Unterstützung unserer wichtigsten Verbündeten“, sagt Pompeo. Der Satz ist noch in Watte gepackt – verglichen mit dem, was dahintersteckt. Maas weiß, dass die Amerikaner maximalen Druck aufbauen, um die für sie besten Ergebnisse zu erzielen. Mittlerweile setzen sie die Keule aber nicht nur bei Ländern wie Iran oder Nordkorea ein, sondern auch gegen die Europäer. Im Außenministerium rechnet man damit, dass Trump in den kommenden Wochen weitere Folterwerkzeuge auspackt. Dabei wird auch nicht ausgeschlossen, dass in Washington Kompromisse beim Iran-Thema mit der Androhung von Strafzöllen oder Sanktionen erzwungen werden sollen.

Wie geht man um mit einem Präsidenten, der vor lauter Kraft nicht laufen kann, der Freund und Feind gefügig machen will? Maas setzt auf Netzwerk-Diplomatie, es ist eine Strategie des sanften Gegendrucks. Am Rande des G20-Gipfels der Außenminister am Montag in Buenos Aires bildet er einen Schulterschluss mit seinem britischen Amtskollegen Boris Johnson. Nicht wackeln beim Ja zum Nuklearabkommen mit Teheran, lautet die Devise. Den chinesischen Chefdiplomaten Wang Yi nimmt er in einem bilateralen Gespräch ins Gebet: Peking, ein wichtiger Handelspartner des Iran, soll für den Vertrag werben, die Mullahs besänftigen und deren Exit aus dem Atom-Papier verhindern. Wang hat dies zugesagt – er war am Mittwoch kurz vor Maas bei Pompeo und hat die Botschaft im Gepäck.

Maas vollführt in Washington einen schwierigen Spagat. Einerseits will er den Trump-Leuten die Position der EU beim Iran-Konflikt klarmachen – konziliant in der Form, aber inhaltlich auf Gegenkurs. Doch im gleichen Atemzug ist er sich bewusst, dass der Bruch im transatlantischen Verhältnis keine Option ist. Zu wichtig ist der Schutzschirm der Militärmacht Amerika im Krisenfall, zu bedeutend ist der US-Markt für die exportgetriebene deutsche Wirtschaft. Maas bringt es auf die Formel: „Die Beziehungen zu den USA sind einem Wandel unterworfen. Aber unsere Bindung zu den Vereinigten Staaten ist eng und tief, auch wenn wir nicht überall einer Meinung sind.“ Es klingt ein bisschen nach Prinzip Hoffnung.