Berlin.

Als Konsequenz aus der Affäre um unrechtmäßige Asylentscheide in Bremen verbietet Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) der dortigen Außenstelle des Flüchtlingsbundesamtes (Bamf) bis auf Weiteres, über Anträge von Flüchtlingen zu entscheiden. Das teilte das Ministerium am Mittwoch mit.

Seehofer sagte: „Das Vertrauen in die Qualität der Asylverfahren und die Integrität des Ankunftszentrums Bremen ist massiv geschädigt worden.“ Asylverfahren des Ankunftszentrums Bremen würden ab sofort von anderen Außenstellen übernommen, „bis zum vollständigen Abschluss des Ermittlungsverfahrens und der laufenden Überprüfungen“.

In der Bamf-Außenstelle Bremen sollen zwischen 2013 und 2016 Mitarbeiter mindestens 1200 Menschen ohne ausreichende rechtliche Grundlage Asyl gewährt haben. Gegen die damalige Bremer Bamf-Chefin und weitere Verdächtige laufen seit Mitte April Ermittlungen wegen Bestechlichkeit und bandenmäßiger Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragstellung. Weiter hieß es in der Mitteilung des Bundesinnenministeriums, ein Bericht der internen Revision des Bamf vom 11. Mai zeige deutlich, „dass im Ankunftszentrum Bremen bewusst gesetzliche Regelungen und interne Dienstvorschriften missachtet wurden“. Seehofer soll am Dienstag im Innenausschuss des Bundestages Rechenschaft über die Unregelmäßigkeiten ablegen. Die Linke im Bundestag forderte Seehofer zur Aufklärung auf.

Anerkennungsquote bleibt weiter gering

Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth geht einer Strafanzeige gegen Bamf-Chefin Jutta Cordt und weitere Mitarbeiter nach. Eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth sagte zu der eingegangenen Strafanzeige, förmliche Ermittlungen seien nicht eingeleitet worden. Bislang sei routinemäßig lediglich ein Aktenzeichen vergeben worden. Geprüft werde nun der in der Anzeige aufgeworfene Verdacht einer Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt im Bundesgebiet. Diese Prüfungen stünden ganz am Anfang. Sie widersprach Darstellungen, ihre Anklagebehörde habe ein Ermittlungsverfahren gegen Cordt eingeleitet.

Die „Bild“-Zeitung hatte hingegen den Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft mit den Worten zitiert, ein solches Ermittlungsverfahren sei schon eingeleitet. Dieser sagte dazu auf Anfrage, seine Formulierung sei eine „rein formale“ Aussage, unter anderem weil ein Aktenzeichen vergeben wurde. Inhaltlich könne er zu dem Vorgang nichts sagen, weil er nicht zuständig sei. Inzwischen überprüft das Bundesamt auch zehn andere Außenstellen, die Flüchtlingen über- oder unterdurchschnittlich oft Schutz gewährt haben. Auf die Frage, ob es dort anders als in Bremen „nur“ um Schlamperei, Unvermögen oder schlichte Überlastung gehe, hatte Seehofer gesagt: „Letzteres scheint der Fall zu sein. Aber ich sage immer: Scheint der Fall zu sein. Wir sind ja mit Hochdruck dabei, die ganzen Dinge aufzuklären.“

Das Bamf begrüßte auf Nachfrage dieser Redaktion die Entscheidung des Ministers zur Außenstelle Bremen. „Wir werden die Zeit, in der im Ankunftszentrum Bremen keine Asylentscheidungen mehr getroffen werden, nutzen, um das Vertrauen in die Qualität der Asylverfahren und die Integrität des Ankunftszentrums Bremen wiederherzustellen“, sagte ein Sprecher des Bamf dieser Redaktion.

Das Bundesamt hatte in der vergangenen Woche Überprüfungen angekündigt. Unter anderem sollen alle seit 2000 in Bremen erteilten positiven Asylbescheide erneut geprüft werden. Insgesamt sind das rund 18.000 Verfahren. Zudem überprüft der Bundesrechnungshof auf Bitte des Innenministeriums Verfahren und Abläufe im Bundesamt.

Der ehemalige Bamf-Chef Frank-Jürgen Weise führt die Unregelmäßigkeiten auch auf eine chaotische Organisation in der Behörde zurück. „Es gab keine Strukturen, die dieser Belastung hätten gerecht werden können, keine funktionierende IT, keine Prozesskette“, sagte Weise dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Es habe „kaum Kontrollmechanismen“ gegeben. „Eine Innenrevision zur Prüfung von Vorgängen und Entscheidungen habe erst ich eingeführt“, sagte er. Obendrein sei das Bamf durch „die enorm hohe Zahl von Asylanträgen überfordert“ gewesen. Der inzwischen pensionierte Weise hatte von September 2015 bis Ende 2016 gleichzeitig die Bundesagentur für Arbeit und das Bamf geleitet. Anfang 2017 war Cordt an die Bamf-Spitze gerückt.

Die Anerkennungsquote für Schutzsuchende bewegt sich derweil weiter auf einem niedrigen Niveau. Bei den zwischen Januar und Ende April vom Bamf getroffenen Entscheidungen habe nur jeder Dritte (32,5 Prozent) einen Schutztitel zugesprochen bekommen, berichtete die „Welt“ mit Verweis auf offizielle Zahlen.