Berlin.

Wie die Welt im Jahr 2098 aussehen wird, kann heute noch niemand sagen. Klar ist aber: Wer heute als Baby auf die Welt kommt, hat beste Chancen, dieses Jahr zu erleben. Eine Lebenserwartung von 80 oder sogar 82 Jahren ist heute mehr als wahrscheinlich. Gerade erst hat das Statistische Bundesamt ermittelt, dass Mädchen, die jetzt geboren werden, 83 Jahre und zwei Monate alt werden. Bei Jungs sind es 78 Jahre und vier Monate. Das reicht immerhin bis zum Jahr 2096.

Dass sich das durchschnittliche Lebensalter immer weiter verlängert, ist bekannt. In welchem Maß die Lebenserwartung aber seit den 80er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts gestiegen ist, das haben Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für demografische Forschung in Rostock ermittelt. Auftraggeber war der Versicherungsverband GDV, der die detaillierte Auswertung von Geburts-, Todes- und Volkszählungsdaten mitfinanziert hat. Damit ist es zum ersten Mal möglich, die Lebenserwartung in den einzelnen Regionen Deutschlands bis in die Zeit vor der Wiedervereinigung zurückzuverfolgen. Das Ergebnis: Am stärksten ist die Lebenserwartung im Bundesland Berlin gestiegen, sie ist heute fast neun Jahre höher als 1982. Ähnlich sieht es in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und in den anderen ostdeutschen Bundesländern aus. Damit sind die Chancen, länger zu leben, im ganzen Osten in den vergangenen Jahrzehnten am deutlichsten gestiegen, vor allem seit der Deutschen Einheit 1990. Am wenigsten verändert haben sich in dieser Zeit dagegen die Lebensperspektiven in Bremen, Schleswig-Holstein und Niedersachsen. Aber auch dort leben die Menschen rund sechs Jahre länger als in den 80er-Jahren.

Das alles bedeutet nicht, dass Ostdeutsche auch am ältesten werden. Das trifft noch immer vor allem auf die Menschen in Westdeutschland zu, genauer auf die im Südwesten der Republik: Wer jetzt in Baden-Württemberg geboren wird, hat beste Chancen, fast 82 Jahre alt zu werden. Vor 36 Jahren wurden die Bewohner im Ländle 75 Jahre alt, was auch damals deutschlandweit der Spitzenwert war. Mit einigem Abstand folgten damals die Hessen und die Menschen in Schleswig-Holstein mit einer um etwa ein halbes Jahr geringeren Lebenserwartung. DDR-Bürger hingegen starben Anfang der 80er-Jahre im Schnitt schon rund drei Jahre früher und wurden nur wenig älter als 70.

Zu den wichtigsten Gründen für die steigende Lebenserwartung zählen die bessere gesundheitliche Versorgung, die Ernährung und die in den vergangenen Jahrzehnten geringere Umweltverschmutzung. „Entscheidend war vor allem der medizinische Fortschritt“, sagt Sebastian Klüsener, einer der Experten am Max-Planck-Institut in Rostock. So hätten Herz-Kreislauf-Erkrankungen seit Beginn der 70er-Jahre durch technischen Fortschritt in Westdeutschland besser behandelt werden können als noch in den 60er-Jahren. Diesen Fortschritt habe es zwar auch in der damaligen DDR gegeben, aber in deutlich geringerem Maße. Nach 1990 dann habe sich die Versorgung auch in Ostdeutschland deutlich verbessert.

Ein weiterer wichtiger Faktor war Klüsener zufolge das langsame Ende der Montanindustrie im Ruhrgebiet und die Deindustrialisierung in Ostdeutschland nach der Einheit. „In beiden Fällen ging die Belastung der Umwelt mit Schadstoffen deutlich zurück“, so der Forscher. Vor allem in den ostdeutschen Bundesländern habe sich die Luftqualität seit 1990 spürbar verbessert. Die erhöhte Arbeitslosigkeit durch den Strukturwandel habe aber auch negative Folgen gehabt. So zeigen zahlreiche Studien, dass arbeitslose Menschen ein höheres Risiko haben, früher zu sterben – und zwar umso eher, je länger sie ohne Job sind.

Anders erklärt Klüsener die Unterschiede in der Lebenserwartung zwischen dem Norden und dem Süden: „In Süddeutschland spielt bewusstes Essen und gute Ernährung eine wichtigere Rolle als im Norden“, sagt er. Auch werde Alkohol im Süden anders konsumiert: „Süddeutsche trinken häufiger Wein, Norddeutsche eher Bier und Hochprozentiges“, so der Forscher. Beides scheint mehr auf die Gesundheit zu schlagen als Wein.

Auch die Lebenserwartung bei einem Großteil der bereits erwachsenen Bevölkerung steigt permanent durch ökonomischen und technischen Fortschritt: Wer heute 65 Jahre alt ist, hat sehr gute Chancen, noch mindestens seinen 84. Geburtstag zu erleben.