München/Berlin. Bundesländer geben Beamten mehr Befugnisse. Vor allem Bayern geht weit. Kritiker sehen Grundrechte in Gefahr

    Die junge Frau hält ein Pappschild hoch, bunt bemalt mit Herzchen. Und einem Spruch: „Markus, ruf mich an! Meine Kontaktdaten hast du ja eh schon.“ Gemeint war Markus Söder von der CSU, Bayerns Ministerpräsident. Die junge Frau ist eine von 30.000 bis 40.000 Demonstranten, die am vergangenen Donnerstag in München gegen das neue Polizeiaufgabengesetz, kurz PAG, protestierten. Gewerkschafter, Parteien von Linker bis FDP, Studenten, die Antifa.

    Bayern muss wie jedes andere Bundesland ein Gesetz erlassen, in dem es die Polizeiarbeit neu regelt – angepasst an EU-Datenschutzvorgaben. Das Bundesverfassungsgericht hatte zudem eine Neuregelung des BKA-Gesetzes für das Bundeskriminalamt gefordert. Bestimmte Befugnisse, etwa zur Terrorabwehr, seien verfassungswidrig. Nun reagieren auch die Länder.

    Die Vorgaben der EU aus Brüssel sollen den Datenschutz stärken. So soll in Bayern eine unabhängige Institution Daten überprüfen, die Polizisten beim Überwachen von E-Mails oder Online-Chats aufgenommen haben. Betreffen sie den privaten Bereich, dürfen sie nicht verwendet werden. Und doch ist die Kritik massiv. Denn nicht nur der Datenschutz wird ausformuliert – Ermittler in Bayern und anderen Bundesländern bekommen mehr Befugnisse. Lediglich das von Linken regierte Thüringen plant keine Ausweitung.

    Umstritten ist beispielsweise die Auswertung von DNA-Spuren schon zu Fahndungszwecken. Findet die Polizei ein Haar oder Hautschuppen des mutmaßlichen Täters am Ort des Verbrechens, kann sie die Spur untersuchen und Rückschlüsse auf Farbe der Augen, der Haut und der Haare sowie auf Alter und Herkunft einer Person ziehen. Mit diesen Informationen können Beamte das Fahndungsbild erstellen. Kritiker, darunter der bayerische Datenschutzbeauftragte, stören sich daran, dass die Polizei das genetische Programm eines Menschen auswerte.

    Umstritten ist auch die Ausweitung des Einsatzes von Kameras, die Polizisten an ihren Uniformen tragen (Bodycams), die künftig auch in Wohnungen und ohne Richterprüfung eingesetzt werden.

    Doch nicht nur das neue Portfolio der Polizei in Bayern treibt Menschen zum Protest. Es geht vor allem um die Schwelle, ab der Beamte ermitteln. Bisher können Polizisten erst bei einer „konkreten Gefahr“ eingreifen. Den Beamten müssen Erkenntnisse über mögliche Straftaten detailliert vorliegen. Nun kann die Polizei schon bei einer „drohenden Gefahr“ eingreifen. Zum einen kritisieren Juristen, dass dieser Begriff zu schwammig formuliert ist. Zum anderen üben Datenschützer Kritik daran, dass Polizeiarbeit immer stärker präventiv ist – eine Person schon im Fokus der Ermittler ist, obwohl sie noch keine Straftat begangen hat.

    Vor allem im Kampf gegen den Terrorismus stehen Sicherheitsbehörden unter Zugzwang: Sie müssen Ermittlern Befugnisse und Technik geben, um Anschläge zu verhindern. Terroristen und organisierte Kriminelle nutzen etwa verschlüsselte Chats und Computersoftware, um Verbrechen zu planen. Polizeigesetze müssten Beamten entsprechende Befugnisse und Technik geben, um Schritt zu halten, sagen Ermittler. Kritiker wenden ein, dass die Regierungen auf die hitzige Sicherheitsdebatte mit Gesetzesverschärfungen reagieren würden. Zu viele Machtbefugnisse der Polizei würden jedoch das Vertrauen der Bürger in die Ermittler gefährden. Und darauf sei die Polizei dringend angewiesen, sagt auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP).