Barcelona/Madrid.

Er trug bei seiner Rede im Regionalparlament in Barcelona eine gelbe Schleife am Jackett. Ein Symbol, mit dem das katalanische Unabhängigkeitslager an jene separatistischen Politiker erinnert, die derzeit in Untersuchungshaft sitzen. Quim Torra stellte gleich in seinen ersten Äußerungen klar, dass auch er für eine eigenständige „Republik Katalonien“ kämpfen und an der bisherigen Unabhängigkeitspolitik festhalten will.

Von dem Vertrauten des katalanischen Separatistenchefs, Carles Puigdemont, ist somit keine Entspannung im Katalonien-Konflikt zu erwarten. Der 55-jährige Anwalt, Buchverleger und Schriftsteller stand bisher zwar nicht in der ersten Reihe der katalanischen Politik, er gilt jedoch gleichwohl als separatistischer Hardliner. Und als verlängerter Arm von Puigdemont. Dieser sitzt derzeit in Berlin fest, wo er auf eine Entscheidung des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts über einen spanischen Auslieferungsantrag warten muss.

Torra scheut keine Konfrontation

Torra wurde am Montag in zweiter Abstimmungsrunde mit einfacher Mehrheit zum neuen Ministerpräsidenten der spanischen Region Katalonien gewählt. Er erhielt 66 Ja-Stimmen der separatistischen Parteien Junts per Catalunya (Zusammen für Katalonien) und Esquerra Republicana (Republikanische Linke). Die 65 Abgeordneten des prospanischen Blocks im Regionalparlament in Barcelona stimmten gegen ihn. Die vier Abgeordneten der kleinen radikalen Unabhängigkeitspartei CUP enthielten sich.

Damit bekommt Katalonien, das mit der Unabhängigkeitspolitik Puigdemonts in eine tiefe Krise rutschte, nach 200 Tagen politischen Stillstands wieder eine handlungsfähige Führung. Spaniens Staatsregierung hatte Puigdemont Ende Oktober wegen seiner verfassungswidrigen Unabhängigkeitsbeschlüsse entmachtet und das Regionalparlament aufgelöst. Seitdem wurde Katalonien provisorisch von Madrid aus regiert. Diese Zwangsverwaltung, die auf Spaniens Verfassungsartikel 155 fußt, dürfte damit bald auslaufen.

Im Dezember hatten die 7,5 Millionen Katalanen ein neues Parlament gewählt, in dem die Unabhängigkeitsbefürworter mit 47,5 Prozent der Stimmen wieder eine knappe Mehrheit der Sitze eroberten. Seitdem waren vier Versuche, einen neuen Ministerpräsidenten zu bestimmen, gescheitert. Entweder weil die vorgeschlagenen Kandidaten des Separatistenlagers in Untersuchungshaft saßen, oder weil die Amtsanwärter, zu denen auch Carles Puigdemont gehörte, auf der Flucht vor der spanischen Justiz das Land verlassen hatten.

Puigdemont war Ende März in Deutschland, nach der Einreise aus Dänemark, vorübergehend festgenommen worden und residiert momentan in Berlin. Das Oberlandesgericht in Schleswig will in den nächsten Tagen über die von Spanien beantragte Auslieferung entscheiden. Spaniens Oberster Gerichtshof wirft Puigdemont und weiteren Separatistenführern Rebellion und Veruntreuung vor. Kataloniens neuer Ministerpräsident hat bisher keine Probleme mit der spanischen Justiz, doch er könnte durchaus noch welche bekommen. Jedenfalls dann, wenn er mit seiner Ankündigung ernst macht, die von Puigdemont eingeleitete Unabhängigkeitsfahrt, die mit der spanischen Verfassung kollidierte, fortzuführen. Spaniens Verfassung sieht, ähnlich wie zum Beispiel das deutsche Grundgesetz, die Abspaltung eines Staatsteils nicht vor.

Quim Torra, der erst mit der katalanischen Neuwahl im Dezember ins Regionalparlament rückte, hat keine Angst vor einer neuen Konfrontation: „Wir werden erneut alle Gesetze auf den Tisch bringen, die vom spanischen Verfassungsgericht aufgehoben wurden“, sagte er am Montag. Das Verfassungsgericht hatte unter anderem das Unabhängigkeitsreferendum am 1. Oktober und eine nachfolgende einseitige Unabhängigkeitserklärung annulliert.

Torras Rede ist eine Kampfansage, die unschwer so interpretiert werden kann, dass die Spannungen zwischen Barcelona und Madrid noch lange nicht beendet sind. Und aus der zudem geschlossen werden darf, dass auch Kataloniens neuem Ministerpräsidenten möglicherweise kein langes politisches Leben beschert sein wird.

Spaniens konservativer Regierungschef, Mariano Rajoy, ließ wenig Zweifel daran, dass er neuen mutmaßlichen Rechtsbrüchen der katalanischen Separatisten nicht tatenlos zuschauen wird. „Katalonien braucht eine Regierung, die das Gesetz achtet“, sagte Rajoy. Sollte sie das nicht tun, könnte Rajoy im Ernstfall erneut das Verfassungsgericht anrufen oder sogar wieder den Zwangsartikel 155 mobilisieren und Torra damit absetzen.

Auch Quim Torra selbst glaubt offenbar nicht so richtig daran, dass seine Amtszeit von längerer Dauer sein wird. Allerdings aus anderen Gründen. Er selbst betrachtet sich als „provisorischer“ Amtsinhaber, der nur so lange bleibe, bis Puigdemont wieder an die Macht zurückkehren kann. „Unser Ministerpräsident“, bekräftigte er am Montag im Regionalparlament, „heißt Carles Puigdemont“.