Paris.

Wieder ein Anschlag im Herzen von Paris. Wieder Angst und Schrecken auf den Straßen der französischen Hauptstadt. Sonnabendabend, unweit der Oper Garnier, nicht weit vom weltberühmten Museum Louvre entfernt. Die Bars und Lokale sind voll besetzt, als ein 21-jähriger Franzose tschetschenischer Abstammung fünf Passanten mit einem langen Küchenmesser angreift und dabei mehrfach „Allahu Akbar“ (Allah ist groß) schreit.

„Ich habe seine Augen gesehen, der war entweder irre oder vollgedröhnt“, erzählt Denis. Der Kellner einer Bar unweit der Oper Garnier war einer der vielen Augenzeugen dessen, was er im ersten Augenblick für einen Amoklauf hielt. Denis stand kurz vor 21 Uhr nahe der Eingangstür des voll besetzen Etablissements, als diese „von einem Typen mit langen Haaren und Bart aufgerissen wurde. Er hat sofort auf eine junge Frau neben mir eingestochen. Dann ging draußen ein Mann vorbei und der Täter stürzte ihm hinterher.“

Nacheinander und offenbar wahllos wählt der Angreifer seine Opfer aus. Eines verblutet auf dem Bürgersteig der Rue Monsigny, die von der Oper zur Börse führt. Vier weitere Menschen werden verletzt, zwei von ihnen schwer. Noch während Zeugen der Schreckensszenen den Verletzten Erste Hilfe zu leisten versuchen, trifft ein Streifenwagen ein. Sofort stürzt sich der Angreifer auf die aus dem Auto steigenden Beamten, die vergeblich versuchen, ihn mit einem Elektroschocker zu überwältigen. Da der Rasende weiter auf die Polizisten einsticht, wird er schließlich erschossen.

Die beiden Schüsse lösen in dem belebten Ausgehviertel kurzfristig eine Panik aus. Passanten rennen vom Tatort weg. In den Restaurants und Bars verbarrikadieren sich Angestellte wie Kunden und suchen unter Tischen Schutz. Das große und rasch zusammengezogene Aufgebot an Ordnungshütern gibt bereits kurz nach 22 Uhr Entwarnung, die umgehend errichteten Straßensperren werden wieder aufgehoben. Allein die nächstgelegene Metrostation bleibt zunächst geschlossen.

Anti-Terror-Abteilung zieht die Ermittlungen an sich

„Ein Polizist hat an die Tür des Restaurants geschlagen und gerufen, dass wir aufmachen können, da die Gefahr vorüber sei“, erzählt die Kundin eines Restaurants in der Rue Monsigny, die „wirklich große Angst gehabt hat“. „Aber als ich mit meinem Mann auf die Straße getreten bin, war in der Tat alles ruhig. Wir haben nur noch einen Krankenwagen davonfahren gesehen.“

Innenminister Gérard Collomb ist zu diesem Zeitpunkt ebenso wie der Pariser Generalstaatsanwalt François Molins vor Ort eingetroffen. Collomb zollt den Polizisten seine Hochachtung, die „schnell und mit kühlem Kopf“ gehandelt hätten. Auch Regierungschef Édouard Philippe, der wenig später das zuständige Polizeikommissariat besucht, lobt die Beamten: „Keine fünf Minuten nach dem ersten Notruf traf der erste Streifenwagen ein, drei weitere Minuten später war der Angreifer neutralisiert. Es steht außer Zweifel, dass dank der Schnelligkeit und des zielsicheren Eingreifens der Polizisten eine ungleich höhere Opferbilanz verhindert worden ist.“

Präsident Emmanuel Macron spricht den Opfern des Angriffs auf Twitter seine Anteilnahme aus und gab sich kämpferisch. Einmal mehr habe Frankreich den Preis des Blutes bezahlen müssen, schreibt das Staatsoberhaupt, aber das Land werde vor den Feinden der Freiheit keinen einzigen Schritt zurückweichen.

Kurz nach Mitternacht zieht die Anti-Terror-Abteilung der Pariser Staatsanwaltschaft die Ermittlungen an sich. Aber es werden noch Stunden vergehen, bevor die Identität des Täters ermittelt werden kann. Er trägt keine Papiere bei sich. Vorbestraft ist der Mann zwar nicht, doch sein Name wurde in einer Datei von Personen geführt, die der Radikalisierung verdächtigt werden. Vor knapp einem Jahr ist er von den Geheimdiensten vernommen worden, weil er über Bekannte indirekt im Kontakt mit einem IS-Mitglied in Syrien gestanden haben soll. Sein Name ist Khamzat Asimov. 1997 in Tschetschenien geboren, Abitur in Straßburg, 2010 in Frankreich eingebürgert. Er ist erst vor Kurzem mit seinen Eltern in den Großraum Paris gezogen.

Noch bevor Ermittler am Sonntag die Eltern des Angreifers in Gewahrsam nehmen, bekennt sich die Terrormiliz „Islamischer Staat“ zu dem Anschlag und bezeichnet den Täter als einen seiner „Soldaten“. Dies haben die Pariser Behörden früh vermutet. Das Muster des Angriffes sowie der Umstand, dass der Täter ganz offensichtlich den Tod suchte, weisen deutlich auf einen islamistischen Hintergrund hin.

Frankreich ist in den vergangenen Jahren häufig zum Ziel islamistischer Anschläge geworden. Dabei starben seit 2015 mehr als 245 Menschen. Ende März hatte ein 25 Jahre alter Terrorist vier Menschen in einem Supermarkt im südfranzösischen Trèbes getötet, darunter einen Gendarmen, der sich ihm als Austauschgeisel angeboten hatte. Der vorletzte Angriff fand im Oktober 2017 in Marseille statt. Dort erstach ein 29-jähriger Islamist vor dem Bahnhof zwei Frauen. Auch Paris, wo die islamistische Attentatsserie im Januar 2015 mit dem blutigen Überfall auf die Redaktion der Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ begann, wurde von Anschlägen erschüttert. Der verheerendste ereignete sich in der Nacht des 13. November 2015, als drei islamistische Killerkommandos zeitgleich an mehreren Orten der Hauptstadt zuschlugen und 130 Menschen ermordeten.