Münster. 30.000 Gläubige trafen sich in Münster. Die Kardinäle rufen zu Einigkeit auf

Der praktizierende Katholik Thomas Gottschalk (67) verdankt seinen Vornamen dem „Ungläubigen Thomas“. Der große Zweifler unter den Jesus-Jüngern musste erst mit seinem Finger in einer offenen Stichwunde des auferstandenen Heilands herumbohren, bevor er überzeugt war. Kommentar von Jesus: „Selig, die nicht sehen und doch glauben.“ TV-Moderator Gottschalk hat Verständnis für seinen Namensvetter: „Wenn man ein bisschen was sehen darf, fällt es leichter“, bekannte er einmal.

Katholikentage sind solche Seh-Veranstaltungen – Leistungsschauen des Glaubens mit Bühnen, Buden und Freilicht-Messen. Sie gehören zu den wenigen Gelegenheiten, bei denen ein Katholik in Deutschland noch die Erfahrung machen kann: Ich bin einer von sehr vielen.

Unter blauem Himmel wurde das Glaubensfest am Sonntag mit einer Messe auf dem Schlossplatz in Münster abgeschlossen. 30.000 nahmen daran teil. Die Veranstalter bewerteten es als großen Erfolg. „Auch Kirchenkritiker müssen einräumen, dass es einen solch breiten öffentlichen Diskurs heute nur noch auf den evangelischen Kirchentagen und Katholikentagen gibt“, sagte der Münsteraner Bischof Felix Genn.

Wer sich noch an Katholikentage der 1980er-Jahre erinnert, dem fällt auf, wie brav das Publikum geworden ist: Damals, zur Zeit der großen Friedensdemos, hatte kein Politiker einen leichten Stand, es gab Zwischenrufe und Transparente. Heute erheben sich 4000 Zuschauer von den Plätzen, wenn Angela Merkel hereinkommt. Nur gegen den AfD-Bundestagsabgeordneten Volker Münz regte sich Widerstand. Er war als erster Vertreter seiner Partei bei einem Katholikentag aufgetreten.

Mit Unverständnis reagierten die meisten Besucher auf die theologische Frage, die die deutschen Bischöfe derzeit entzweit. Die Kirchenführer streiten, ob und wann protestantische Ehepartner die katholische Kommunion empfangen dürfen. Kurz vor Schluss riefen die beiden Hauptkontrahenten zur Beilegung des Streits auf: „Kleinkriege unter uns Bischöfen“ müssten befriedet werden, appellierte der Wortführer des konservativen Lagers, der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki, in einer Videobotschaft – und umarmte während des Abschlussgottesdienstes seinen Widersacher, den Chef der Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx. Der hatte zuvor zur Einigkeit aufgerufen.

Bei der großen Mehrheit ist die Annäherung an die Protestanten so weit gediehen, dass der Präsident des Zen­tralkomitees der deutschen Katholiken, Thomas Sternberg, zum Abschluss sagen konnte: „Auf Wiedersehen beim Evangelischen Kirchentag in Dortmund im kommenden Jahr.“