Berlin. Für Selbstzahler-Leistungen geben Patienten geschätzt pro Jahr rund eine Milliarde Euro aus

Die Patientin wundert sich. Vor fünf Jahren sind ihr die Eierstöcke entfernt worden, dennoch bietet ihr die Frauenärztin bei jeder Vorsorgeuntersuchung einen Ultraschall der Eierstöcke an. Kostenpunkt: Bis zu 50 Euro, die die 60-Jährige selbst zahlen muss. Denn: Der Ultraschall der Eierstöcke zur Krebsfrüherkennung ist keine Kassenleistung, sondern gehört zu den individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL), die Ärzte direkt mit den Patienten abrechnen. Wie der aktuelle „IGeL-Monitor 2018“ der gesetzlichen Krankenkassen zeigt, gehören zu den meistverkauften Leistungen besonders oft Angebote, deren Wirkung aus Sicht der Kassen-Experten unklar oder sogar schädlich ist.

Mithilfe einer Umfrage unter mehr als 2000 gesetzlich versicherten Patienten haben die Experten des Medizinischen Dienstes der Kassen (MDS) eine Hitliste der IGeL-Bestseller aufgestellt: Auf Platz eins landete die Messung des Augeninnendrucks zur Früherkennung von grünem Star (Glaukom). Eine Leistung, die laut MDS sogar vom Berufsverband der Augenärzte als isoliertes Dia­gnoseinstrument kritisch gesehen wird. Männer bekamen zudem relativ häufig den PSA-Test zur Früherkennung von Prostata-Krebs angeboten. Hier überwiegt laut MDS sogar der Schaden: „Auf einen Mann, der dank PSA-Test nicht am Prostatakrebs stirbt, kommen vermutlich 30 Männer, die unnötig behandelt werden, weil ihr Tumor zeitlebens gar nicht aufgefallen wäre.“

Viele IGeL-Leistungen werden von Frauenärzten angeboten. Auf die Plätze zwei und drei kamen gynäkologische Angebote zur Krebsfrüherkennung: der Ultraschall der Eierstöcke und der Ultraschall der Brust. In beiden Fällen ist der Nutzen umstritten. Der Berufsverband der Frauenärzte aber fühlt sich zu Unrecht an den Pranger gestellt: „Es scheint, dass die Krankenkassen diese Untersuchung so massiv kritisieren, um möglichst lange zu verhindern, den Ultraschall als Screening-Methode in die Regelversorgung aufzunehmen“, so Verbandspräsident Christian Albring.

Die Kassen ihrerseits schätzen, dass Patienten in Deutschland rund eine Milliarde Euro pro Jahr für IGeL-Leistungen ausgeben. Viele Patienten fühlen sich laut Umfrage unter Druck gesetzt. Tatsächlich bieten Ärzte die Selbstzahler-Leistungen öfter Frauen an als Männern – möglicherweise, weil sie bei weiblichen Patienten mit einer größeren Bereitschaft zu Vorsorge rechnen können.