Berlin/Washington.

Für Angela Merkel verkörperten die USA stets einen Sehnsuchtsort. In der DDR sozialisiert, waren die Vereinigten Staaten für sie ein Hort der Freiheit. Eine vierwöchige Kalifornien-Reise mit ihrem Ehemann Joachim Sauer vier Jahre nach dem Mauerfall im November 1989 habe ihr Bild der freiheitlichen Nation vertieft, erzählte sie einmal. Das transatlantische Bündnis sei trotz aller Meinungsverschiedenheiten ein „großer Schatz, den ich auch hegen und pflegen möchte“, betonte die CDU-Chefin dann vergangene Woche.

Auch ihr Umfeld wird nicht müde, Merkel kurz vor ihrem zweiten Besuch bei US-Präsident Donald Trump als überzeugte Transatlantikerin darzustellen. Egal, wer im Weißen Haus das Sagen habe. Merkel hat während ihrer Amtszeit auch schon einige US-Präsidenten erlebt. Mit US-Präsident George W. Bush kam sie hervorragend aus. Aus Barack Obama wurde nach anfänglichem Misstrauen auf Merkels Seite am Ende ein enger Verbündeter. Obama verlieh ihr 2011 die Freiheitsmedaille, eine der höchsten zivilen Auszeichnungen der USA, und bezeichnete die Deutsche als Freundin.

Mit dem Einzug von Trump ins Weiße Haus änderte sich allerdings die Einschätzung der Kanzlerin. „Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, die sind ein Stück weit vorbei, und deshalb kann ich nur sagen, wir Europäer müssen unser Schicksal wirklich in die eigene Hand nehmen“, sagte sie 2017 in einem bayerischen Bierzelt, nachdem sie Trump, sein Auftreten und seine Agenda bei ihrem ersten Besuch im März 2017 in Washington und beim G7-Treffen im Mai auf Sizilien erleben durfte.

Der erste Besuch bei Trump verlief in der Tat holprig. Als sie zum Kennenlerntermin im Oval Office vor dem Kamin saß, verweigerte ihr der US-Präsident den obligatorischen Handschlag vor den Kameras, die Atmosphäre nach dem ersten Kennenlernen blieb frostig und steif.

Auch wenn es diesmal zum Handschlag kommen dürfte, die Gesprächsagenda ist noch unerfreulicher als damals. Trump hat seinen Worten im zurückliegenden Jahr Taten folgen lassen. Einige Beobachter befürchten, dass die USA kurz davor stehen, das Atomabkommen mit dem Iran aufzukündigen und einen Handelskrieg mit der EU auszurufen. Am Dienstag läuft eine Ausnahmeregelung für die EU aus. Ob sie verlängert wird? „Aus heutiger Sicht muss man davon ausgehen, dass die Zölle am 1. Mai kommen“, formulierte ein Regierungsvertreter am Donnerstag kurz vor Merkels Abflug nach Washington. Erwartungsmanagement vonseiten der Bundesregierung oder eine realistische Einschätzung?

Hört man sich in Berlin um, heißt es etwa, die EU habe sich auf kein einheitliches Verhandlungsziel einigen können. Auch verärgere das mit Russland vorangetriebene Gas-Projekt North Stream 2 die Amerikaner. Kann die Kanzlerin in den 150 Minuten mit Trump die Stimmung drehen? Sie will es zumindest versuchen. Das Wichtigste sei, dass mit Trump trotz aller Meinungsverschiedenheiten weiter in guter Atmosphäre gesprochen werden könne, heißt es in Merkels Umfeld. Der Präsident werde von ihr auf jeden Fall ein Eintreten für Freihandel und gegen Protektionismus hören.

Aus Washington kam immerhin ein Hoffnungsschimmer. Unmittelbar vor dem Besuch Merkels am Freitag in der US-Hauptstadt deutete die amerikanische Regierung eine mögliche Entspannung beim Streitthema Strafzölle für Stahl und Aluminium an.

Trumps Wirtschaftsberater sorgt für Hoffnungsschimmer

Larry Kudlow, Wirtschaftsberater von Trump, sagte am Donnerstagmorgen dem TV-Sender CNBC, dass die am 1. Mai auslaufende Befreiung von Aufschlägen für Stahl- und Aluminiumproduzenten aus Ländern der EU eventuell verlängert werden könnte, wenn die Gemeinschaft im Gegenzug „Zugeständnisse“ etwa bei Zöllen auf Auto-Importe mache, sprich: US-Autos billiger auf den europäischen Markt lasse. Auch andere Handelshemmnisse müssten weichen. Kudlow nannte keine Details. Trump persönlich und sein zuständiger Wirtschaftsminister Wilbur Ross haben sich bisher noch nicht zum Thema geäußert. Merkel hat allerdings für die Frage von Zöllen kein Verhandlungsmandat. Zuständig ist allein EU-Kommissarin Malmström.

Die Erwartungen im politischen Washington vor Merkels Besuch waren eher gedämpft. „Der Präsident ist nicht wirklich ein Fan von ihr, und umgekehrt ist das wohl ähnlich“, unterstreichen amerikanische Europa-Kenner der Denkfabrik Brookings. Kleine Gesten seien darum atmosphärisch wichtig, soll die Blitz-Visite nicht wie im vergangenen März von störenden Bildern und Fernseh-Sequenzen überschattet werden. Bei der Presse-Konferenz, als Trump sich von deutschen, nicht von amerikanischen Journalisten unangenehme Fragen gefallen lassen musste, entgleisten Merkel am Ende kurz die Gesichtszüge, als Trump einen verunglückten Witz machte. Tenor: Er und sie hätten bei allen Meinungsverschiedenheiten doch auch etwas gemeinsam. Beide seien von Vorgänger-Präsident Obama abgehört worden. Der Auftaktbesuch Merkels bei Trump blieb auch darum als steif und angespannt in Erinnerung.

In der amerikanischen Öffentlichkeit, die sich gerade erst von drei Tagen medialer Dauerberieselung mit Kumpel-Gesten zwischen Trump und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron erholt, spielte der auf knapp drei Stunden begrenzte Merkel-Besuch am Donnerstag keine Rolle. Selbst Fox News, der Lieblingssender des Präsidenten, griff das Thema nicht auf. Dort hatte Trump am Morgen eine Live-Telefonschalte bekommen und sich ungefiltert über Gott und die Welt auslassen dürfen. Auf Merkel kam er nicht.