Washington.

Militärische Ehren mit allem Pipapo. Nationalhymnen. 21 Böllerschüsse. Historische Uniformen mit Dreispitz und Fanfaren. Rhetorische Artigkeiten über „unverbrüchliche Freundschaft“ und „älteste Verbündete“. Dazu jede Menge Schulterklopfen, Handauflegen und fast an Moskauer Politbüro-Küsse erinnernde Zärtlichkeiten unter Männern: Hätte nicht die graue Wolkendecke Dienstagmittag über Washington gehangen, als Donald Trump und Emmanuel Macron auf dem Rasen des Weißen Hauses formvollendet das Staatsmänner-Schauspiel gaben, man hätte annehmen müssen, der amerikanisch-französische Himmel hinge wirklich voller Geigen. Präsident Trump (71) schwor dem 31 Jahre jüngeren Gast in väterlichem Duktus Treue und Freundschaft. Präsident Macron erwiderte mit ebensolchen Gunstbezeugungen.

Schon zwei Stunden später, bei der Pressekonferenz, fiel der Schleier der inszenierten Zweisamkeit. Darum bemüht, den jeweils anderen nicht zu desavouieren, ließen Trump und Macron klar erkennen, dass sie bei den großen Streitthemen Iran und Handel längst nicht so viele „Gemeinsamkeiten“ haben, wie der Gastgeber behauptet.

Trump, der bis zum 12. Mai entscheiden muss, ob die USA aus dem Atomabkommen aussteigen, nennt den Vertrag „schrecklich“ und „verrückt“. „Er hätte niemals unterzeichnet werden dürfen.“ Teheran seien so Milliarden-summen zugeschanzt worden. Im Gegenzug hinterlasse das Mullah-Regime bei fast jedem Problem im Nahen Osten seine „Handschrift“.

Macron wiederum will den Vertrag auf keinen Fall „zerreißen“ und dann „ganz ohne etwas“ dastehen. Er plädiert für eine Art Zusatzabkommen („neuer Deal“), an dem britische, deutsche und französische Diplomaten seit Wochen mit dem US-Außenministerium arbeiten. Das Projekt, bei dem noch niemand weiß, ob Iran mitspielen wird, ruht auf mehreren „Pfeilern“: Keine atomaren Aktivitäten des Iran bis 2025 und darüber hinaus. Schluss mit dem ballistischen Raketenprogramm. Schluss mit den destabilisierenden Aktivitäten Teherans zwischen Libanon und Syrien. Macron: „Wir sind, was den Iran angeht, nicht naiv.“

Trump ließ offen, ob ihm das ausreicht, um das Ursprungsabkommen intakt zu halten, das Macron für einen Garanten des Friedens im Nahen Osten hält. „Wir werden sehen, was passiert.“ Tatsache sei, dass der jetzige „Deal auf einem verfaulenden Fundament“ steht, „wir brauchen ein neues“. Außerdem müssten die Anrainerstaaten des Iran, „die ohne uns keine Woche überleben würden“, endlich mehr zahlen, um die Sicherheit in der Region zu erhöhen.

„Verbündete führen keinen Handelskrieg gegeneinander“

Ähnlich mager fiel für Macron die öffentliche Ausbeute bei seiner zweiten Mission aus: Nur noch sieben Tage sind Stahl- und Aluminiumimporte aus der Europäischen Union von Trumps verhängten Strafzöllen ausgenommen. Macron und die am Donnerstag anreisende Bundeskanzlerin Angela Merkel wollen Trump eine dauerhafte Ausnahme abringen. Danach könne ein Handelsabkommen mit den Vereinigten Staaten angebahnt werden. Die Begründung des Franzosen – „Verbündete führen einfach keinen Handelskrieg gegeneinander“ – verfing bei Trump nicht wirklich. Der Präsident erklärte, der Handel mit Frankreich sei formidabel, weil ausgeglichen. Aber „unglücklicherweise“ werde Paris durch die EU vertreten. Und die stelle, etwa für Amerikas Landwirte, „inakzeptable Handelshemmnisse“ auf. Macron blieb im Ungefähren, sprach von „gemeinsamen Interessen“, etwa bei der Bekämpfung von Stahl-Überkapazitäten aus China.

Begonnen hatte die bis Mittwochabend dauernde Visite von Trumps Lieblingseuropäer mit körperlicher Arbeit. Gemeinsam buddelten die Präsidenten eine aus einem nordfranzösischen Gefechtsfeld des Ersten Weltkriegs entnommene Jung-Eiche am Weißen Haus ein. Danach fand man sich zehn Helikopter-Flugminuten von Washington entfernt dort ein, wo einst George Washington den majestätischen Blick auf den Potomac-Fluss genoss. Der ruhmreiche General im Unabhängigkeitskrieg, Mitautor der Verfassung der USA und deren erster Präsident, hatte das Landgut Ende des 18. Jahrhunderts mithilfe von Sklaven zu einem der größten Whiskey-Produzenten im Land gemacht. Trump ließ Seezunge, Pasta mit Zitronen-Ricotta-Füllung, Schokoladen-Soufflé und Kirsch-Vanille-Eis auffahren. Das lockere Tischgespräch soll sich unter anderem um Trumps Umfragewerte gedreht haben.

Schon am Dienstagmorgen wurde auch Macron politischer, der subtil Themen wie Nationalismus, Klimawandel, Freihandel abhandelte. Frankreich, Europa und die USA hätten eine „Verabredung mit der Geschichte“, sagte er, „und unsere vornehmste Pflicht ist es, rechtzeitig da zu sein“. Konnte Macron den 71-Jährigen beim Höhepunkt der Staatsvisite am Dienstagabend davon überzeugen?

Die Verantwortung für das festliche Staatsdinner lag bei First Lady Melania Trump. Sie ließ edles Geschirr aus den Beständen der Vorgänger-Regierungen Bush und Clinton eindecken. Dem creme-goldfarbenen Ton des Tischschmucks setzten Floristen 1200 Kirschblüten-Zweige und weiße Lilien entgegen. Bevor ein Ensemble der National-Oper Washingtons die rund 130 geladenen Gäste unterhielt, servierte White-House-Küchenchefin Cristeta Comerford ein Drei-Gänge-Menü mit Ziegenkäse-Torte, Lammkarree mit Cipollini-Zwiebel und Nektarinen-Kuchen mit Sahne-Eis. Als Verbeugung vor der französischen Küche gab es Jambalaya, ein scharfes Gericht, wie es in Louisiana gekocht wird, jenem US-Bundesstaat, den Kaiser Napoleon 1803 für zwölf Millionen Dollar an Amerika verkauft hatte.