Washington.

Olaf Scholz kennt das Weiße Haus. Als Hamburger Bürgermeister war er vor sieben Jahren dabei, als Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vom damaligen US-Präsidenten, Barack Obama, die Freiheitsmedaille überreicht bekam. Im berühmten Rosengarten gab es damals ein großes Festbankett. Die deutsch-amerikanischen Beziehungen konnten kaum besser sein.

Inzwischen ist das Verhältnis zwischen beiden Staaten spürbar abgekühlt. Obamas Nachfolger, Donald Trump, irritiert Freund und Feind und droht den Europäern mit einem Handelskrieg. Als Olaf Scholz am Donnerstagmittag vor dem Weißen Haus vorfuhr, stand kein entspanntes Fest auf dem Programm. Der Sozialdemokrat, inzwischen Bundesfinanzminister und Vizekanzler, kam als Krisendiplomat. In einem halbstündigen Gespräch mit US-Vizepräsident Mike Pence und in einem weiteren mit Trumps Wirtschaftsberater Larry Kudlow wollte Scholz versuchen, für freien und fairen Handel zu werben und die drohenden Strafzölle auf deutsche und europäische Produkte abzuwenden. Auch der Bürgerkrieg in Syrien und die Russland-Politik dürften eine Rolle gespielt haben. Es sollten Vorgespräche für den Besuch der Kanzlerin bei Trump in der nächsten Woche sein.

Für Scholz war die Begegnung mit Pence der erste Schritt auf die ganz große internationale Bühne. Nicht dass er als Hamburger Bürgermeister nicht Kontakt mit den Mächtigen der Welt gehabt hätte – zuletzt beim G20-Gipfel im vergangenen Jahr. Aber in seinem neuen Amt begegnet er ihnen auf Augenhöhe. Und: Er ist als Vizekanzler der mächtigste deutsche Finanzminister seit Langem. Scholz koordiniert die Arbeit der SPD-Minister und verbindet damit den Anspruch, die sozialdemokratische Politik zu prägen. Die Frage, die sich in Washington stellte, war: Wie wird er das tun? Scholz beantwortete sie an diesem Donnerstag äußerst vage.

Unmittelbar vor dem Besuch im Weißen Haus betonte der Finanzminister bei einem Auftritt vor dem German Marshall Fund, dass es besser sei, den Handelsstreit mit den Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) zu bewegen. Das verbindende Element zwischen den USA und Deutschland und Europa sei die Rechtsstaatlichkeit. „Das Recht ist essenziell. Das bringt uns zusammen.“ Man wolle eine Eskalation vermeiden, sagte Scholz. „Freihandel mit Regeln ist besser als das Gegenteil.“ Er äußerte die Hoffnung, mit den Amerikanern in Handelsfragen „eine gemeinsame Grundlage“ zu finden. Scholz wies darauf hin, dass Deutschland allein nicht der Verhandlungspartner der USA sei, dies sei die gesamte Europäische Union. Es werde keine Extralösungen für einzelne Länder geben. Er sei aber optimistisch, diese Lösungen bis Ende des Monats zu finden. Dann sollen die von Trump gewährten Ausnahmen für Stahl-Zölle für die EU auslaufen. Für Scholz’ Verhältnisse war das eine ungewohnt klare Ansage.

In der wichtigen Frage, die auch die Amerikaner interessiert, nämlich wie die Reform der Eurozone vorangetrieben werden soll, blieb der Finanzminister am Donnerstag äußerst unklar. Auf einem Podium beim Internationalen Währungsfonds (IWF), der das eigentliche Ziel seiner Reise in die USA war, vermied Scholz jede klare Aussage zur Zukunft des gemeinsamen Währungsraums – dem Thema, das Kanzlerin Merkel zeitgleich mit dem französischen Präsidenten in Berlin besprach. Scholz sagte, die Reform müsse in diesem oder im nächsten Jahr beschlossen werden. Am Ende sollte die Eurozone noch stärker gegen kommende Krisen gewappnet sein als jetzt. Den Euro-Rettungsschirm ESM könne man in einen Europäischen Währungsfonds verwandeln. Das sei mit der Bundesregierung zu machen. Scholz hat bisher nicht für einen Euro-Finanzminister geworben. Und: Die Bankenunion mit ihrer umstrittenen europaweit geltenden Einlagensicherung will der Minister erst vollenden, wenn die Risiken in den Büchern mancher südeuropäischer Banken deutlich reduziert sind.

Konkreter wurde Scholz nicht. Seinen Plan von der Zukunft der Eurozone – er behauptet, es gebe ihn bereits – bespricht er derzeit nur hinter verschlossenen Türen mit seinen Beamten und mit den Kollegen in den anderen europäischen Ländern. Scholz zeigte sich immerhin offen für die Sorgen und Wünsche anderer Euro-Länder: „Ein deutscher Finanzminister muss immer darüber nachdenken, was passieren würde, wenn er plötzlich als Finanzminister Italiens aufwachen würde“, scherzte er. Das bedeute aber nicht, dass er genauso handeln werde.