Berlin.

Der Bundespräsident ist tief beunruhigt: Nach den Luftschlägen der USA, Frankreichs und Großbritanniens in Syrien sieht Frank-Walter Steinmeier eine „galoppierende Entfremdung“ zwischen Russland und dem Westen. „Es gibt praktisch keine Vertrauensbasis mehr – auf beiden Seiten“, sagte Steinmeier der „Bild am Sonntag“ auch mit Blick auf den Giftanschlag auf den russischen Ex-Spion Sergej Skripal in Großbritannien.

Steinmeier will eine Friedensinitiative

Das Staatsoberhaupt betonte, ,,dieser gefährlichen Entfremdung entgegenzuwirken, ist die eigentliche Herausforderung und Aufgabe verantwortlicher Politik“. Man dürfe sich „nicht von einer neuen Endzeitstimmung im Verhältnis zu schwierigen Nachbarn dominieren lassen“. Deutschland dürfe das Land und seine Menschen nicht zum Feind erklären. „Dagegen steht unsere Geschichte und dafür steht zu viel auf dem Spiel.“

Der Bundespräsident dringt außerdem auf eine gemeinsame Friedensinitiative der Großmächte. „Wenn Washington und Moskau in der Syrien-Frage keinen Weg zueinander finden, sind die Chancen für eine Verbesserung der Lage in Syrien gleich null“, sagte der ehemalige Außenminister. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte die Luftschläge am Sonnabend als „erforderlich und angemessen“ bezeichnet, zuvor jedoch eine Beteiligung der Bundeswehr ausgeschlossen. Das Kanzleramt will auch mit Blick auf die Verhandlungen mit Russland für die Ost-Ukraine die diplomatische Verbindung nach Moskau nicht vollständig kappen. Deutschlands Zurückhaltung könnte hilfreich sein, den Gesprächsfaden mit Russland auch in der Syrien-Frage wieder aufzunehmen. Die Kanzlerin weiß außerdem, dass in der deutschen Bevölkerung die Abneigung gegen eine militärische Beteiligung an Konflikten stark verankert ist. Auch wäre eine konkrete Unterstützung etwa mit Jagdbombern in den Koalitionsfraktionen im Bundestag – vor allem bei der SPD – wohl kaum durchsetzbar gewesen. Das Parlament muss solche Einsätze genehmigen.

Die Bundesregierung drängt nun zu einer Wiederaufnahme der Verhandlungen. Nur eine politische Lösung werde dauerhaften Frieden in dem Bürgerkriegsland bringen, unterstrich Außenminister Heiko Maas (SPD) am Wochenende. Die Bundesregierung werde alle diplomatischen Hebel bewegen, um die Verhandlungen voranzubringen. Dazu werde sie auch ihre Kanäle nach Russland nutzen, um dort auf eine konstruktive Haltung zu dringen. Maas erläuterte, Deutschland wolle sich zusammen mit Frankreich für die Schaffung eines internationalen Formats einflussreicher Staaten einsetzen, das den politischen Prozess voranbringen könne.

Die Linke mahnt die Regierung zur Besonnenheit

Maas plädierte dafür, dass zunächst dauerhaft die Waffen in Syrien schweigen und humanitärer Hilfe Zugang gewährt werde. Dann seien vor allem eine Übergangsregierung, eine Verfassungsreform und Wahlen nötig. Zudem müsse die Zerstörung der Chemiewaffen in Syrien vor allem von den UN überwacht werden. Von der Opposition gibt es harsche Kritik an der Haltung der Bundesregierung. Die Linke-Parteivorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger mahnten zur Besonnenheit. „Eine direkte Kriegskonfrontation zwischen den Atommächten Russland und USA gehört zu den gefährlichsten Entwicklungen für diese Welt.“ Fraktionschef Dietmar Bartsch twitterte: „Die, die anderen Völkerrechtsbruch vorwerfen, brechen das Völkerrecht.“

AfD-Fraktionschef Alexander Gauland kritisierte die Haltung der Kanzlerin, welche die Angriffe rechtfertige, aber eine deutsche Beteiligung ausschließe. „Die Position von Frau Merkel läuft wie gewohnt halbherzig nach dem Motto ,Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass’“, sagte er.

Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner forderte die Bundesregierung auf, den Dialog mit Russland und der Türkei nicht abreißen zu lassen.