Berlin.

Die 8500 Einwohner zählende Stadt Bad Schmiedeberg in Sachsen-Anhalt kann sich am kommenden Mittwoch über Besuch freuen: Kanzlerin Angela Merkel (CDU) trifft sich hier mit den Ost-Ministerpräsidenten, um über die Förderung der neuen Bundesländer zu beraten.

Das Treffen kommt nicht von ungefähr: Der Osten hat in der neuen GroKo gerade Konjunktur. Das Wahlergebnis und die Erfolge der AfD bei der Bundestagswahl im vergangenen Jahr haben die Politik aufgeschreckt. Der Aufstieg der Populisten hat deutlich gemacht, dass sich in den neuen Bundesländern zwar vieles entwickelt hat, viele Probleme aber geblieben sind.

Nach wie vor Unterschiede zwischen Ost und West

Merkel benannte die Schwierigkeiten am Wochenende deutlich: Zwar wolle die Bundesregierung mit einem Förderprogramm für alle strukturschwachen Regionen zu gleichwertigen Lebensverhältnissen in ganz Deutschland beitragen. Doch es gebe nach wie vor strukturelle Unterschiede zwischen Ost und West: So betrage das Bruttoinlandsprodukt im Osten pro Kopf nur etwa 73 Prozent des Westens, auch sei die Steuerkraft deutlich geringer.

„Das heißt, wir müssen immer wieder fragen, wie können wir systemische, strukturelle Unterschiede zwischen Ost und West ausgleichen im Bereich der Forschung, im Bereich der Sitze von großen Unternehmen, im Bereich der Frage der strukturellen Arbeitslosigkeit“, erklärte die Kanzlerin, die selbst aus Ostdeutschland stammt. Diese Strukturen sind auch dem neuen Ostbeauftragten der Bundesregierung, dem CDU-Politiker Christian Hirte, bekannt. Mit dem jüngeren, selbstsicheren ostdeutschen Politiker aus Thüringen hat der Osten eine neue Stimme bekommen.

Hirte will diese Chance nutzen: „Ich sehe meine Aufgabe darin, als Anwalt und Stimme der Ostdeutschen ihre Interessen in der Regierung deutlich zu machen“, sagte der 41-Jährige im Gespräch mit dieser Zeitung. Er hat große Pläne: „Ich will einen neuen Sound für Ostdeutschland. Ich will, dass wir mit neuem Selbstbewusstsein auf Ostdeutschland blicken.“ Der Osten habe durch kleinere Städte, günstigere Mieten, ­attraktive Landschaften, gut ausgebaute Kinderbetreuung im Standortwettbewerb viele Vorteile. Außerdem habe sich die ostdeutsche Bevölkerung Freiheit und Demokratie erkämpft. Und: „Wir hatten schon eine großartige Kultur, als manche im Süden der Republik noch sehr agrarisch geprägt waren. Wenn man all das wegdenken würde, was in den neuen Bundesländern seinen Ursprung hat, dann wäre unser Land um Vieles ärmer“, betonte der thüringische Bundestagsabgeordnete, der auch Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium ist. Warum gibt es seiner Meinung nach noch so große Unterschiede? Der Strukturwandel habe in den neuen Ländern mit einer Brutalität zugeschlagen, „die noch größer war als beispielsweise im Ruhrgebiet“. Daher sei das Vertrauen in das System oft nicht so ausgeprägt. Das Gefühl des Abgehängtwerdens sei ein großes, etwa in den strukturschwachen Gebieten Ostbrandenburg oder Vorpommern. „Die Sorge der Menschen bezieht sich ja oft nicht einmal auf die aktuelle Situation, sondern darauf, dass es in Zukunft schlechter werden könnte.“ Die Politik müsse das ernst nehmen.

Hirte will dem Osten auch in der CDU mehr Gewicht verleihen. „Wir können selbstbewusster auftreten, auch um unsere Interessen in Berlin besser vertreten zu können. Die gemeinsame ostdeutsche Landesgruppe der CDU ist stärker als die bayerische oder die baden-württembergische.“ Neben Hirte gibt es eine neue Generation ostdeutscher CDU-Politiker, die sich das auf die Fahnen geschrieben haben, etwa Sachsens neuer Ministerpräsident Michael Kretschmer oder der thüringische CDU-Landeschef Mike Mohring. Inhaltlich vertreten alle drei einen deutlich konservativeren Kurs, gerade auch in der Flüchtlingspolitik, als die Kanzlerin.

Auch die SPD will den Osten stärker ins Visier nehmen, berief mit Martin ­Dulig einen eigenen Ostbeauftragten für die Bundes-SPD. Die Diskussion über die Repräsentanz im Kabinett habe gezeigt, dass selbstbewusste Interessenbekundungen der ostdeutschen SPD als störendes Nörgeln interpretiert wurden, beklagten jüngst Dulig und die mecklenburg-vorpommersche Ministerpräsidentin und SPD-Vize Manuela Schwesig. Dulig kritisiert generell, dass in der Bundespolitik oft westdeutsche Maßstäbe angelegt würden.

Auch aus diesen Gründen macht ein eigener Beauftragter für den Osten nach Hirtes Auffassung noch Sinn. Neben den strukturellen Unterschieden – keine Metropole oder großen Dax-Unternehmen – gebe es durchaus auch kulturelle Diskrepanzen, „denn der Ostdeutsche tickt schon ein bisschen anders als der Westdeutsche“. Man dürfe das Amt des Ostbeauftragten jedoch nicht zementieren, sondern müsse es langfristig überwinden. Hirte hat damit begonnen. Er schrieb alle neuen Kabinettsmitglieder an und wies auf einen Beschluss von 1992 hin, dass Bundesbehörden vorrangig in Ostdeutschland anzusiedeln sind. „Ich wüsste daher nichts, was dagegen spräche, die neue Bundesfernstraßengesellschaft zum großen Teil in den neuen Bundesländern anzusiedeln.“