Moskau.

Den ersten Sieg in der Seeschlacht um Syrien feierte RIA Nowosti schon gestern. Die staatliche Nachrichtenagentur schilderte in einem „Insider-Feuilleton“, wie im Tiefflug nahende Su-34-Kampfjets die gesamte Elektronik des US-Zerstörers „Donald Cook“ ausschalten und die Besatzung in Panik versetzen … „Einige Männer schnappten sich Rettungsringe und stürzten sich entschlossen über Bord.“ Russland wartet auf den von Donald Trump angekündigten Militärschlag gegen Syrien. Mit gemischten Gefühlen. Während Propaganda-Medien und Hurrapatrioten schon in Kriegs- und Siegesfantasien schwelgen, hoffen Experten auf einen glimpflichen Ausgang. Manche warnen gar vor der Überlegenheit des Gegners.

Der Kreml gibt sich zurückhaltend. „Man möchte hoffen, dass alle Seiten Schritte vermeiden“, sagte Präsidentensprecher Dmitri Beskow gestern, „die die schon so angespannte Lage in der Region stark destabilisieren.“

Die meisten russischen Fachleute sind sich einig, dass die Grenzen der Orte, an denen russische Militärs stationiert sind, jene rote Linie darstellen, deren Überschreiten durch die Amerikaner und ihre Verbündeten einen russischen Gegenschlag auslösten. „Wir haben keinen Vertrag unterschrieben, dass wir Syrien gegen die USA verteidigen“, sagt der Moskauer Militärexperte Viktor Litowkin unserer Zeitung. Er schließt andererseits aus, dass die Amerikaner russische Positionen angreifen werden. „Sie wollen auch keinen dritten Weltkrieg.“

Die Mehrzahl seiner russischen Kollegen rechnet damit, dass der Westen Raketen- oder Luftschläge gegen syrische Flugplätze führen wird, von denen Assads Truppen chemische Angriffe gestartet haben könnten. Litowkin glaubt nicht, dass die Amerikaner Baschar al-Assads Präsidentenpalast attackieren. „Auch dort sitzen russische Berater. Und Syrien mag dort seine 70 Panzir-Raketenabwehrsysteme konzentrieren, die die relativ langsamen Tomahawk-Raketen abfangen können.“

Es sei übrigens möglich, dass US-Militärs ihre russischen Kollegen vorwarnten, wie bei dem Tomahawk-Salvenangriff auf die syrische Luftwaffenbasis Al-Schairat im April 2017. Im Ergebnis seien dort nur alte und defekte Maschinen zerstört worden. US-Präsident Donald Trump sagte seinerzeit, er habe den Militärschlag wegen der Verteidigung nationaler Sicherheitsinteressen angeordnet. Bei dem Giftgas-Angriff auf die noch heute von Rebellen kontrollierte Stadt Chan Scheichun kamen nach UN-Angaben mehr als 80 Menschen ums Leben.

Öffentlichkeit und Armee in Russland harren der amerikanischen Flotteneinheiten, die sich Syrien nähern, mit betont breiter Brust. Die Zeitung „Kommersant“ zitiert eine Quelle im Verteidigungsministerium, die US-Kriegsschiffe würden bereits erwartet, unter anderem von Atom-U-Booten. Und die „Komsomolskaja Prawda“ schwenkt ein ganzes Arsenal „hocheffektiver“, „treffgenauer“ oder „berühmter“ Raketen sowie das „weltbeste“ Flugabwehrsystem.

Die Zeitung „Nesawissimoje Wojennoje Obosrenije“ aber verweist auf die heftigen taktischen Debatten von Sofastrategen im Internet und zitiert einen Blogger, der ausrechnet, dass die Nato in Syrien 15 bis 20 russische Flugzeuge vernichten müsse und dabei nicht mehr als ein bis zwei Schlachtschiffe und 15 bis 20 Flugzeuge verlieren dürfe, um sich als Sieger des bevorstehenden Syrienkriegs fühlen zu dürfen. Angesichts solcherlei Schiffchenversenkens verweist das Fachblatt darauf, dass die USA gar keinen offenen Krieg benötigen, um Russland enormen Schaden zuzufügen, Wirtschaftssanktionen reichten völlig aus.

Auch Admiral Wladimir Komojedow, Exkommandeur der Schwarzmeerflotte, predigt gegenüber RIA Nowosti nur sehr bedingt Attacke. „Man muss Raketen, die auf die Syrer fliegen, abschießen.“ Aber was Träger angehe, Schiffe und Raketen, das sei eine schwierige Frage. Denn das bedeute Krieg. Und man dürfe den Gegner nicht unterschätzen. „Krieg zu Meer bedarf sehr ernsthafter Marinekräfte. Wir besitzen solche Kräfte in der Region nicht. Die Amerikaner dominieren dort in der Luft und zu Wasser, hinter ihnen aber steht die Nato.“