Neumünster. Um 13.51 Uhr verlässt Carles Puigdemont das Gefängnis in Neumünster – er gibt sich kämpferisch

Die Erste, die nach Carles Puigdemonts Freilassung seine Hand schüttelt, ist Silvia Poll. Die in Barcelona geborene Hamburgerin ist Freitagmorgen mit Freunden zur Justizvollzugsanstalt (JVA) Neumünster gefahren. Als der katalanische Ex-Präsident das Gefängnis verlässt und in der Mittagssonne vor die 150 Menschen tritt, ist sie überglücklich. „Es lebe der Präsident, es lebe Katalonien!“, hallt es auf Katalanisch über den Parkplatz des Gefängnisses.

Die Freilassung Puigdemonts bahnte sich seit Donnerstagabend an, als das Oberlandesgericht Schleswig-Holstein bekanntgab, wie es mit dem 55-Jährigen weitergeht. Zwar sei eine Auslieferung wegen des in Spanien gegen ihn erhobenen Vorwurfs der Korruption möglich, sagten die Landesrichter. Aber: Gegen Auflagen könne Puigdemont vorerst freikommen. Zu den Auflagen gehörte eine Kaution von 75.000 Euro und die Pflicht, sich jede Woche bei der Polizei in Neumünster zu melden. Den spanischen Vorwurf der „Rebellion“ wies das Oberlandesgericht dabei übrigens ab.

Am Donnerstagabend buchten dann spanische Journalisten Flüge, auch einigen ihrer deutschen Kollegen war klar, wo sie morgen sein würden: in Neumünster. Ab 7 Uhr morgens am Freitag strömten die ersten Medienvertreter auf den Parkplatz der JVA, wo schon vergangene Woche teilweise 50 Journalisten darauf gewartet hatten, dass sich etwas regt. Am 25. März hatte Puigdemont seine Zelle in Neumünster bezogen.

Am frühen Mittag ist es schon deutlich voller vor dem roten Backsteinbau, über dem die Frühlingssonne langsam aufzieht. Im Minutentakt steuern blassgelbe Taxen die Boostedter Straße entlang, die aus der Neumünsteraner Innenstadt hinausführt, und halten vor der JVA. Um 11.14 Uhr dann die Nachricht, auf die alle gewartet haben: Die Staatsanwaltschaft bestätigt, dass sie die 75.000 Euro Kaution erhalten hat. Jetzt muss Puigdemont nur noch vor die Tür treten.

Zu diesem Zeitpunkt ist auch Silvia Poll schon vor der JVA. Sie hat sich die katalanische Flagge so um den Hals gebunden, dass sie ihre Schultern und ihren gesamten Rücken bedeckt. Sie arbeitet als Spanischlehrerin in Hamburg, lebt schon seit 26 Jahren in Deutschland. „Herr Puigdemont ist immer noch mein Präsident“, sagt sie.

Dann piept es am Seitenausgang, der sich neben dem großen Stahltor befindet. Die Journalisten schultern ihre Kameras, zücken ihre Stifte, auch die übrigen Menschen haben Fotoapparate dabei und recken ihre Hälse. Ein Mann in Jeans und Steppjacke tritt heraus und schaut. Es ist nicht Puigdemont. „Alter Verwalter“, sagt er und geht zu seinem Auto. Ein Spiel, das sich in den nächsten Minuten häufiger wiederholt.

Ein paar Jugendliche aus Neumünster sitzen mittlerweile auf dem Zaun. Sie schauen auf die im Halbkreis aufgestellten Mikros auf einem kleinen Rasenstück zwischen Gefängnis und Parkplatz. Dahinter zieht sich bis zum Eingang eine Menschenmenge von knapp 150 Personen, die Mehrzahl davon Journalisten.

Der Ex-Präsident bedankt sich für die Gestfreundschaft

Um 13.51 Uhr ist es so weit. Wieder ein Piepen, dann geht Carles Puigdemont, gefolgt von seinen zwei deutschen Anwälten Wolfgang und Sören Schomburg, langsam auf die Mikros zu. Er zieht einen Zettel aus der Innentasche seines grauen Anzugs und beginnt auf Deutsch. Er bedanke sich für die Gastfreundschaft. Dann auf Englisch: „Wir kämpfen nicht nur für die Unabhängigkeit, sondern für die Demokratie. Die spanischen Behörden haben keine Ausreden dafür, nicht den Dialog mit uns zu suchen. Zeit, Politik zu machen!“ Kurz spricht noch einer der Anwälte, dann gehen alle zurück ins Gebäude.

Das Spektakel ist vorbei. Puigdemont soll das Gefängnis kurz darauf über einen Hinterausgang verlassen haben. Wie es mit Katalonien jetzt weitergehe? „Wir können nur auf internationale Hilfe warten“, sagt Silvia Poll. „Aber wir versuchen schon seit 300 Jahren, unabhängig zu werden. Dieses Mal werden wir es nicht vermasseln.“