London/Berlin. Gift für Anschlag auf Doppelagenten soll aus russischem Labor kommen

Das bei dem Anschlag auf den ehemaligen russischen Doppelagenten Sergej Skripal verwendete Gift soll aus einer russischen Militärforschungsanlage in Schichany stammen. Dort seien kleinere Mengen des Nervengifts Nowitschok gelagert worden, berichtete die britische Zeitung „The Times“ am Freitag. Die Einrichtung liegt im Gebiet Saratow.

Geheimdienstinformationen wiesen klar auf Schichany hin, sagte der britische Chemiewaffen-Experte Hamish de Bretton-Gordon der Zeitung. Die dort gelagerten Mengen seien ausreichend für Attentate, aber zu gering für militärische Einsätze gewesen. Es gebe keine Hinweise darauf, dass das Gift aus anderen Laboratorien der früheren Sowjetunion stamme, etwa aus der Ukraine oder aus Usbekistan.

Der Kreml wies den Bericht zurück. „Alle Standorte, an denen Chemiewaffen gelagert wurden, sind bekannt. Schichany gehört nicht dazu“, sagte Michail Babitsch, der Kremlvertreter im Föderationskreis Wolga, der Agentur Interfax.

In Schichany befindet sich eine Filiale des Forschungsinstituts Gosniiocht. Nach eigener Darstellung befasst sich die Einrichtung mit Sicherheitsfragen im Chemiebereich und hatte Technologien zur Vernichtung von C-Waffen entwickelt. Schichany mit rund 6000 Einwohnern liegt etwa 800 Kilometer südöstlich von Moskau.

Das Nervengift Nowitschok wurde einst in der Sowjetunion produziert. London vermutet Moskau als Drahtzieher des Attentats. Russland weist dies zurück. Bisher wurden keine Beweise veröffentlicht. Die Bundesregierung teilt die britischen Vorwürfe gegen Russland. Man halte die britischen Hinweise für „äußerst plausibel“, sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer in Berlin.

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) übte hingegen scharfe Kritik an dem Vorgehen Großbritanniens. In der „Neuen Westfälischen“ stellte er die Berechtigung der westlichen Sanktionen gegen Russland infrage. „Ich finde, wenn man wie die Briten fast alle Nato-Staaten zur Solidarität aufruft, dann müssen die Belege sicher und stichhaltig sein“, sagte Laschet. Wenn britische Forscher selbst sagten, dass Belege für die Herkunft des Giftes fehlten, erhöhe das nicht die Glaubwürdigkeit in einer so heiklen Angelegenheit.

Mehr als einen Monat nach dem Giftanschlag geht es Skripal deutlich besser. Das berichteten seine Ärzte in der südenglischen Kleinstadt Salisbury. „Er spricht gut auf die Behandlung an, seine Gesundheit verbessert sich schnell, und er ist nicht mehr in kritischem Zustand“, teilten die Mediziner mit. Dies nähre Hoffnungen, dass eine Befragung Skripals mehr Klarheit bringen und helfen könnte im Streit zwischen Großbritannien und Russland. Sergej Skripal und seine Tochter Julia wurden am 4. März bewusstlos auf einer Parkbank im südenglischen Salisbury entdeckt. Auch ihr soll es inzwischen besser gehen. Wann sie aus der Klinik entlassen wird, war am Freitag noch offen.