Berlin.

Für Alexander Dobrindt war es das wichtigste Projekt der vergangenen Wahlperiode. Als Verkehrsminister kümmerte sich der bayerische Politiker, der inzwischen Vorsitzender der CSU-Bundestagsabgeordneten ist, um fast nichts anderes als um die Pkw-Maut. Inzwischen ist die „Infrastrukturabgabe“, wie sie offiziell heißt, zwar Gesetz. Doch wann sie erhoben wird und wie viel Geld sie bringt, ist noch immer unklar.

Die Maut auf die Straße zu bringen, ist nun die Aufgabe von Andreas Scheuer. Der CSU-Politiker ist Dobrindts Nachfolger im Bundesverkehrsministerium. Auch er mag noch nicht sagen, wann die Pkw-Maut kommt: „Einen genauen Zeitpunkt werde ich nicht nennen. Aber alles läuft“, sagte Scheuer dieser Redaktion. Man arbeite „mit Hochdruck“ an der Umsetzung.

In einem Punkt aber ist sich der Minister ganz sicher: Die Pkw-Maut wird zu nennenswerten Einnahmen für den Bundeshaushalt führen. Diese würden sogar noch höher ausfallen als bislang erwartet. Beim Koalitionspartner SPD sorgt diese Ankündigung für Erstaunen.

„Bei der Ausweitung der Lkw-Maut werden wir langfristig mehr Geld einnehmen als prognostiziert“, sagte Scheuer. „Ich verspreche: Das wird uns auch bei der Pkw-Maut gelingen.“ Laut offizieller Regierungsprognose soll die Pkw-Maut Gesamteinnahmen von annähernd vier Milliarden Euro brutto im Jahr bringen. Davon sollen etwa 830 Millionen Euro von ausländischen Fahrzeugen kommen. Die Regierung werde die Einnahmen „kräftig in die deutsche Infrastruktur investieren“, kündigte Scheuer an. Und selbstverständlich ­werde kein deutscher Autofahrer durch die Pkw-Maut zusätzlich belastet.

Der Start der Pkw-Maut verzögert sich erheblich

Zur Erinnerung: Ziel der Maut soll es sein, ausländische Autofahrer an den Kosten der Infrastruktur zu beteiligen – so wie in anderen europäischen Ländern. Damit die Maut nicht gegen europäisches Recht verstößt, sollen auch deutsche Autofahrer zahlen. Sie sollen aber gleichzeitig bei der Kfz-Steuer entlastet werden. Nach langem Ringen hat die EU-Kommission dieses Verfahren akzeptiert. Sie setzte aber durch, dass sich die Maut nach dem Schadstoffausstoß eines Autos richtet. Deutsche Fahrer mit sauberen Autos werden mehr Kfz-Steuer erstattet bekommen, als sie Maut zahlen. Ausländer mit dreckigen Autos zahlen mehr. So weit der Plan.

Doch der Aufbau der Maut verzögert sich. Das hängt mit dem komplizierten elektronischen System zusammen, mit dem die Abgabe erhoben werden soll. Es gibt offene technische Fragen, aber auch Probleme mit dem Datenschutz. Das Vergabeverfahren, bei dem sich Unternehmen um den Betrieb der Maut bewerben können, hat noch gar nicht begonnen. Experten erwarten, dass die Maut nicht vor 2020 startet. Ursprünglich sollte sie schon 2016 „scharf gestellt“ werden, wie Dobrindt sich damals ausdrückte.

Auch die finanziellen Wirkungen der Pkw-Maut sind völlig unklar. Bisher hat sie vor allem Geld gekostet. Rund 20 Millionen Euro hat der Staat schon jetzt für neues Personal ausgegeben, das sich um die Erhebung kümmern soll.

Die Einnahmen, mit denen Scheuer bisher offiziell rechnet, sind tatsächlich nur das Geld, das Autofahrer zahlen sollen. Wie viel davon nach der Verrechnung mit der Kfz-Steuer tatsächlich übrig bleibt, ist unklar. Offiziell hat die Bundesregierung stets mit Netto­einnahmen von 500 Millionen Euro kalkuliert. Experten wie der vom Autoclub ADAC beauftragte Wissenschaftler Ralf Ratzenberger kommen nach Abzug der Betriebskosten aber zu negativen Einnahmen von mindestens 100 Millionen Euro im ersten Jahr nach der Einführung. Der Bundesrechnungshof äußerte ebenfalls Zweifel am Verhältnis von Aufwand und Ertrag.

Auch Bettina Hagedorn kann den Optimismus des neuen Verkehrsministers nicht nachvollziehen. Die SPD-Politikerin ist Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesfinanzministerium und hat sich in den vergangenen Jahren als Haushaltsexpertin mit dem Etat des Verkehrsministeriums befasst. „Ich wüsste nicht, welche neuen Erkenntnisse des Verkehrsministeriums uns heute veranlassen sollten, optimistischer auf die Einnahmeerwartung der PKW-Maut zu schauen als im Frühjahr 2017“, sagte Hagedorn dieser Redaktion. Als der Bundestag vor einem Jahr über die Maut debattierte, rechnete Hagedorn vor, dass die Pkw-Maut zu so hohen Verlusten führt, dass im Bundeshaushalt bis 2021 rund 1,5 Milliarden Euro fehlen werden.

Trotzdem stimmte die SPD der Einführung der Pkw-Maut zu und verzichtet auch jetzt darauf, sich an dem Thema abzuarbeiten. „Es wird auf Verkehrsminister Andreas Scheuer ankommen, ob sie zügig kommt und wann die ersten Einnahmen fließen“, sagt Fraktionsvize Sören Bartol knapp. Kurzfristig solle Scheuer sich lieber auf die für Juli geplante Ausdehnung der Lkw-Maut auf alle Bundesstraßen konzentrieren. „Damit können wir pro Jahr mindestens zwei Milliarden Euro zusätzlich an Einnahmen bekommen und mehr in den Erhalt und Ausbau der Verkehrswege investieren.“

Grundlegende Zweifel an der Pkw-Maut äußert nur noch die Opposition. Der für Verkehr zuständige FDP-Fraktionsvize Frank Sitta: „Die Maut ist viel zu bürokratisch. Sie benachteiligt die Grenzregionen und sie richtet in ihrer Ausgestaltung großen Schaden im Verhältnis zu unseren europäischen Nachbarstaaten an.“