Ankara/Berlin.

Es ist der Gipfel der lächelnden Herren. Die Präsidenten der Türkei, Russlands und des Irans blicken milde in die Kameras: Gastgeber Recep Tayyip Erdogan steht in der Mitte, rechts daneben Wladimir Putin und links Hassan Rohani. Putin und Rohani reichen sich die Hand, Erdogans Finger umspannen den Handshake. Das Bild soll Einheit symbolisieren und friedliche Absichten. Es geht um eine neue Verfassung für das von sieben Jahren Bürgerkrieg geschüttelte Syrien, Deeskalationszonen für die Bevölkerung und die Verbesserung der humanitären Lage für die Menschen. Das hieß es bereits bei ähnlichen Spitzentreffen in der Vergangenheit – zuletzt im November im russischen Schwarzmeer-Badeort Sotschi. Aber bislang ohne Erfolg.

Die grausame Realität in Syrien steht im Gegensatz zu dem optimistischen Gemälde der drei Präsidenten am Mittwoch in Ankara. Der Staatsminister im Auswärtigen Amt in Berlin, Niels Annen (SPD), spricht daher von einem „Kriegsgipfel“. Und kündigt ein stärkeres Engagement der Bundesregierung für politische Gespräche zur Beendigung des Kriegs in Syrien an.

Gerade hat Syriens Machthaber Baschar al-Assad die Region Ost-Ghuta erobert und ganze Ortschaften in Schutt und Asche gelegt. Flucht-Korridore für die Zivilbevölkerung wurden für viele zur Todeszone mit Kugelhagel und Raketenbeschuss. Assads Truppen, unterstützt von russischer Luftwaffe und vom Iran finanzierten schiitischen Milizen, kämpften gegen die zumeist islamistischen Rebellen. Assad strebt die Kontrolle über ganz Syrien an. Die letzte Hochburg der Regime-Gegner ist Idlib im Norden. Die Offensive der Regierung soll bald beginnen.

Erdogan hatte in Ankara die Devise ausgegeben: „Wir sind uns darin einig, unsere Bemühungen dafür fortzusetzen, eine politische Lösung für die Probleme in Syrien zu finden.“ Nach dem Gipfel heißt es, die Türkei, Russland und der Iran wollten ihre Anstrengungen für ein Ende der Gewalt in Syrien und für den Schutz von Zivilisten verstärken. In einer Erklärung rufen Erdogan, Putin und Rohani die internationale Gemeinschaft dazu auf, ihre Hilfe für Syrien auszweiten. Sie bekennen sich zu dem Ziel, auf einen dauerhaften Waffenstillstand zwischen den Konfliktparteien in Syrien hinzuarbeiten. Hehre Versprechen.

Die drei Länder eint in erster Linie, dass sie den Einfluss der USA bei der Gestaltung der Nachkriegsordnung in Syrien möglichst zurückdrängen wollen. Derzeit sind noch rund 2000 amerikanische Spezialkräfte und Militärberater vor allem östlich des Euphrats im Einsatz – insbesondere bei der Bekämpfung von Restgruppen der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS). Am Mittwoch erklärte das Weiße Haus, dass die Mission weitergehe. Zuvor hatte Präsident Donald Trump einen völligen Abzug angekündigt.

Die drei Staatschefs verfolgen im Syrienkonflikt zwar unterschiedliche Interessen. Sie versuchen aber, sich gegenseitig nicht auf die Füße zu treten. Putin und Rohani wollen Assad stützen, Erdogan würde den Syrer lieber heute als morgen aus dem Amt jagen, hält aber still. Das ist der Preis dafür, dass die Türkei die Kurden aus dem Norden Syriens vertreiben und dort ihre eigene Einflusssphäre schaffen kann. Erdogans Soldaten und ihre Verbündeten waren im Januar im nordsyrischen Afrin einmarschiert. Sie gehen dort gegen die Kurdenmiliz YPG vor. Abzuwarten bleibt indessen, ob Moskau bereit ist, eine dauerhafte Präsenz der Türkei in Nordsyrien oder gar eine möglicherweise geplante Annektierung hinzunehmen.

Putin geht es darum, die militärische Präsenz Russlands im östlichen Mittelmeer zu sichern. Dabei spielt die Marinebasis in der syrischen Hafenstadt Tartus eine besondere Rolle. Seit 2016 hat die russische Kriegsmarine ihre Operationen dort verstärkt.

Türkei kauft russische Flugabwehrraketen

Für den Iran ist Syrien wegen seiner Regionalmacht-Ambitionen von großer Bedeutung. Es bildet ein wichtiges Element der „schiitischen Achse“, die vom Iran über den Irak und Syrien bis zur Hisbollah im Libanon führt. Eine Strategie, die in Saudi-Arabien, das sich als Schutzmacht der Sunniten begreift, auf höchstes Misstrauen stößt. Deshalb strebt Riad neuerdings einen Schulterschluss mit Jerusalem an. Traditionelle Fronten im Nahen Osten werden aufgeweicht. Neue Bündnisse entstehen, nicht nur mit Blick auf Saudi-Arabien und Israel. So festigt Ankara seine Bindungen an Moskau. Keinen ausländischen Politiker hat Erdogan jüngst so oft getroffen wie Putin. Im vergangenen Jahr besiegelten die beiden Präsidenten die Lieferung russischer Flugabwehrraketen vom Typ S-400 an die Türkei. Das System ist nicht kompatibel mit der Nato-Sicherheitsarchitektur und stößt deshalb bei der Allianz auf scharfe Kritik.

Auch in der Energiepolitik nähert sich das Nato-Land Türkei immer stärker Russland an. So bauen die Russen das erste türkische Atomkraftwerk in Akkuyu im Süden des Landes. Die Türkei ist damit das einzige Nato-Land, das russische Nukleartechnik einkauft. Das Projekt dürfte die Beziehungen der Türkei zu den USA weiter belasten. Putin wird das nur Recht sein.