Peking.

Erst dürfen die chinesischen Staatsmedien zwei Tage lang gar nicht über den Überraschungsbesuch des nordkoreanischen Machthabers in Peking berichten. Doch nur wenige Stunden nachdem Kim Jong-un in seinen dunkelgrünen Zug gestiegen und gen Nordosten abgereist ist, überschlagen sich die staatlich kontrollierten Medien geradezu mit Berichten über Kims Besuch in China.

Der Nachrichtenkanal des chinesischen Staatssenders CCTV brachte am Mittwoch Bilder von Kim in einer Dauerschleife: Der nordkoreanische Diktator, wie er über den roten Teppich schreitet und von Chinas Präsident Xi Jinping mit militärischen Ehren empfangen wird, Kim mit seiner Frau und Chinas First Lady Peng Liyuan beim Staatsbankett, Kim händeschüttelnd mit dem chinesischen Premierminister Li Keqiang. Die Staatsmedien verbreiteten diese Bilder zusammen mit Kommentaren wie „unser Freund“, ein „großer Staatsführer“ und „zwei Bruderstaaten finden zueinander“.

Auch der Zeitpunkt des Besuchs war bemerkenswert

Die Gerüchte der vergangenen zwei Tage sind damit offiziell bestätigt. Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un ist Anfang der Woche tatsächlich für zwei Tage in Peking gewesen – auf Einladung des chinesischen Staats- und Parteichefs Xi Jinping, heißt es in Chinas amtlicher Nachrichtenagentur Xinhua. Bei feierlichen Bildern und blumigen Worten ist es nicht geblieben.

Kim erklärte, er fühle sich „der Denuklearisierung verpflichtet“ und sei generell zu einer atomaren Abrüstung bereit. „Die Frage der Entnuklearisierung der koreanischen Halbinsel kann gelöst werden, wenn Südkorea und die USA auf unsere Bemühungen mit Wohlwollen reagieren, eine Atmosphäre des Friedens und der Stabilität schaffen, während gleichzeitig progressive und synchrone Schritte in Richtung des Friedens ergriffen werden“, soll Kim laut Xinhua wörtlich gesagt haben. Was der nordkoreanische Machthaber damit gemeint haben dürfte: Er ist bereit, sein Atomwaffenprogramm zu stoppen, wenn er im Gegenzug von den USA die Garantie erhält, nicht gestürzt zu werden.

Kims Besuch in Peking kommt zu einem bemerkenswerten Zeitpunkt. Als er 2011 nach dem Tod seines Vaters die Macht übernahm, verschlechterte sich das Verhältnis zu dem einstigen Bruderstaat stetig. Erst ließ der junge Kim seinen Onkel hinrichten, der unter Kims Vater und Vorgänger der zweitmächtigste Mann in Pjöngjang war. Der Onkel pflegte gute Beziehungen zu Peking. Im vergangenen Jahr ließ Kim Jong-un mit einem Nervengiftanschlag auch seinen Halbbruder Kim Jong-nam töten. Der Halbbruder hatte unter Pekings Schutz in der südchinesischen Stadt Macao gelebt.

Zudem ist die chinesische Führung gegen Kims Atomwaffen- und Raketenprogramm und trägt seit dem vergangenen Jahr auch konsequent die UN-Sanktionen gegen den einstigen Bruderstaat mit. China war bis dahin der wichtigste Wirtschafts- und Handelspartner des völlig verarmten Landes.

Das Kim-Regime wiederum hatte jede Vermittlungsbemühung der chinesischen Regierung ignoriert. In den vergangenen Wochen befürchtete Peking, Nordkorea könnte ohne den einstigen Verbündeten mit den USA, Japan und Südkorea Verhandlungen führen. Das wäre ein herber Gesichtsverlust für die Großmacht China gewesen. Dass Kim nun auch Peking einbindet, schmeichelt der chinesischen Führung.

Zwar fühlt sich der nordkoreanische Führer nach seinen erfolgreichen Raketen- und Nukleartests gestärkt. Zugleich gibt es allerdings Anzeichen, dass die gegen sein Land verhängten Sanktionen Wirkung zeigen und innenpolitisch der Druck auf das Regime steigt. Mit seiner Neujahrsrede und der Wiederaufnahme der Beziehungen zu Südkorea hat Kim bereits seinen strategischen Politikwechsel eingeläutet. Das geplante Treffen mit US-Präsident Donald Trump im Mai ist als vorläufiger Höhepunkt gedacht. China soll nach Kims Willen eine Schlüsselrolle spielen. Um Nordkorea auch weiterhin regieren zu können, sucht er offenbar die Rückendeckung des mächtigen Nachbarn.

Nach Einschätzung von Deng Yuwen, Experte für Chinas internationale Beziehungen, ist Kim jedoch skeptisch, ob Trump ihm die gewünschten Sicherheitsgarantien geben werde. Nach der Ernennung des Hardliners John Bolton zum nationalen Sicherheitsberater des US-Präsidenten sei Kim noch „wachsamer“. Nordkoreas Machthaber brauche daher China als seinen „großen Bruder, um es in einem entscheidenden Moment zu beschützen“, sagte Deng.

In Peking liefen die diplomatischen Drähte heiß. Präsident Xi schickte am Mittwoch seinen Top-Diplomaten Yang Jiechi nach Seoul, um Südkoreas Regierung über die Gespräche mit Kim zu unterrichten. Auch Washington wurde informiert. Präsident Trump twitterte am Mittwoch, dass er von Xi über dessen Treffen mit Kim unterrichtet worden sei. Kim freue sich auf den Gipfel mit ihm, so die Botschaft. Trump machte jedoch gleich klar, dass das noch kein Politikwechsel sei: Einstweilen müssten „maximale Sanktionen und Druck“ unbedingt aufrechterhalten werden.