Jerusalem.

Welche Rolle Heiko Maas als neuer Außenminister in den deutsch-israelischen Beziehungen spielen will, wird klar, noch bevor er Yad Vashem betritt. Vor dem Eingang der Holocaust-Gedenkstätte rufen ihm Mitglieder einer deutschen Studiengruppe Grüße hinterher. Der Außenamtschef dreht kurzerhand um, plaudert mit den Jugendlichen aus dem Kreis Osnabrück und sagt ihnen zum Schluss: „Erzählen Sie zu Hause von Ihrem Besuch.“

Deutschlands erster Mahner zu sein, der sich den Lehren des Völkermords nicht nur in Israel bewusst ist, sondern insgesamt davon geprägt wurde – dieses Selbstverständnis betonte er bereits bei seiner Amtseinführung vergangene Woche: „Ich bin wegen Auschwitz in die Politik gegangen.“

Der Auftritt, bei dem er mit der eher israelkritischen Linie seines Vorgängers Sigmar Gabriel zu brechen schien, wurde als Neuanfang in den Beziehungen gewertet. Wichtig war diese Geste, weil sie eben noch vor seinem Israel-Besuch geschah, unterstreicht der Historiker Professor Michael Wolffsohn: „Er hat das nicht bloß protokollarisch abgearbeitet, bedingt durch die Notwendigkeit des Ortes, sondern bei seiner ersten Rede im Amt in Berlin programmatisch und eben nicht ritualisiert gesprochen.“

Bei seinem Besuch in Yad Vashem wird er von Charlotte Knobloch, der ehemaligen Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, begleitet. Sie sei der Einladung des Ministers gerne gefolgt, sagt sie und erzählt ihm während des etwa einstündigen Rundgangs auch von ihrer Rettung im Krieg. Am Ende des Besuchs erklärt Heiko Maas: „Deutschland trägt die Verantwortung für das grausamste Verbrechen der Menschheitsgeschichte.“ Man stehe zu dem Land, das hier aller Opfer gedenkt.

An diesem Montag wird Heiko Maas in Jerusalem weitere Überlebende treffen. Das Thema Erinnerung soll also seinen Besuch bestimmen. Der deutsch-israelische Historiker Wolffsohn vermutet auch deshalb, dass „das Wertegrundgerüst starker Teil seiner Außenpolitik“ werden wird. Maas’ Bilanz als Justizminister könnte ein Fingerzeig dafür sein. Der Saarländer hatte den Kampf gegen rechts und gegen Antisemitismus zu seinem Markenkern gemacht, wurde zur Hassfigur von AfD, Pegida und Co. und vom Internationalen Auschwitz-Komitee geehrt. Die „Times of Israel“ titulierte ihn nun als „Anti-Nazi-Kreuzritter“.

Die besonders argwöhnische „Jerusalem Post“ ließ sich außerdem bestätigen, dass der neue Außenminister in Israels Besatzung kein „Apartheid–Regime“ sieht, wie Gabriel 2012 nach einem Besuch in Hebron bei Facebook geschrieben hatte. Mit dieser Äußerung nahm seine unglückliche Beziehung zur Regierung von Benjamin Netanjahu ihren Anfang. Der Tiefpunkt lag dann im vergangenen Jahr, als Gabriel in Jerusalem wegen eines Treffens mit der NGO Breaking the Silence der Empfang beim Premierminister verweigert wurde. Die Spannungen zwischen den beiden Politikern waren auch vor Ende Januar noch spürbar, als Gabriel zu einer Versöhnungsvisite in Jerusalem weilte.

Heiko Maas dagegen betont die guten Kontakte zu seiner ehemaligen Amtskollegin, der israelischen Justizministerin Ayelet Shaked, obwohl diese von der Siedlerpartei „Jüdisches Heim“ kommt und für ihre nationalistischen Töne berüchtigt ist. Und er sagt am Sonntag bei Staatspräsident Reuven Rivlin: „Deutschland ist ein Freund, auch wenn wir bei einigen Fragen unterschiedlicher Auffassung sind.“ Die Beziehungen wolle man im Jahr von Israels 70. Staatsjubiläum pflegen.

Gemeinsam mit Netanjahu, der auch Außenminister seines Landes ist, soll Maas beim Treffen am Montag eine Neuauflage der Regierungskonsultationen auf den Weg bringen. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte diese zu Beginn vergangenen Jahres auf einen unbestimmten Zeitpunkt verschoben, offenbar aus Verärgerung über die israelische Siedlungspolitik. Um diese Themen wird es am Montag gehen, wenn der neue Außenminister Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas besucht.

Maas werde auch Israels Sorgen im Hinblick auf das iranische Regime zu hören bekommen, hieß es aus Jerusalem. Es geht um die iranischen Aktivitäten in der Region. Und es geht um das Atom-Abkommen, an dem Deutschland im Gegensatz zu Israel unter allen Umständen festhalten möchte. Wenn sich die USA, möglicherweise angetrieben von Israel, vom Atom-Vertrag zurückziehen, könnte das einen neuen Krieg im Nahen Osten heraufbeschwören, soll Merkel Netanjahu vor Kurzem gewarnt haben.