Berlin.

Bereits am 14. Februar feierte Deniz Yücels neues Buch „Wir sind ja nicht zum Spaß hier“ im Berliner Festsaal Kreuzberg Premiere. Mit dabei sein konnte der Journalist damals nicht. Erst zwei Tage später wurde er nach mehr als einem Jahr aus türkischer Untersuchungshaft entlassen. Am Sonnabend wurde die Lesung daher vor rund 800 Zuschauern wiederholt. Sichtlich gerührt zeigte sich der „Welt“-Korrespondent auf seinem ersten öffentlichen Auftritt in Freiheit.

„Es geht mir gut. Nicht nur, weil ich ein Jahr Knast hinter mir habe, sondern auch, weil es viele Menschen gab, die hinter mir standen“, sagte er nach minutenlangem Applaus. Das habe ihm Kraft gegeben, sich niemals der Situation zu ergeben. So habe er in Abwesenheit von Zettel und Stift seine Gedanken mit einer abgebrochenen Plastikgabel und Tomatensoße in einen Roman geschrieben – später mit einem geklauten Stift auf die türkische Ausgabe des Kinderbuchs „Der kleine Prinz“.

In seinem Buch verarbeitet der Journalist Erlebnisse aus seiner Haft. Das Werk umfasst zudem Texte aus den vergangenen 13 Jahren, die er im Gefängnis zusammengefasst und über seine Anwälte nach außen übermittelt hat. Am Sonnabend las er überwiegend aus diesen Texten. Zwischendrin kam er aber immer wieder auf seine Zeit in Haft zurück. Eine politische Abrechnung mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, als dessen Geisel er sich häufig bezeichnet hatte, sollte es aber nicht geben. Vielmehr dankte er all denen, die ihn unterstützt hatten – vor allem seinem Anwalt Veysel Ok und seiner ehemaligen „taz“-Kollegin Doris Akrap, die das Buch für ihn herausgab.

Besonders emotional wurde es, als seine Ehefrau Dilek Mayatürk-Yücel auf die Bühne kam. Beide hatten erst in der Haft geheiratet. Vor allem Dileks Briefe auf buntem Papier hätten ihm im Hochsicherheitsgefängnis Silivri bei Istanbul Kraft gegeben. Dieses sei darauf ausgerichtet, alles an Lebensfreude zu zerstören. „Ich werde ihr mein Leben lang Danke sagen und es wird nicht genug sein“, sagte er, bevor sie sich lange in den Armen lagen. Die Horrortage seien vorbei, ergänzte Dilek. Nun wolle man nach vorne schauen. Allerdings ist Yücels Verfahren in der Türkei noch nicht vorbei. Mit dem Tag seiner Haftentlassung legte die Staatsanwaltschaft auch die Anklageschrift vor. Sie wirft ihm unter anderem Terrorpropaganda vor und fordert bis zu 18 Jahre Haft. Ob Yücel zur ersten Anhörung im Juni in die Türkei reisen werde, sei noch unklar, so sein Anwalt Ok.