Brüssel.

Eigentlich sollte sich der EU-Frühjahrsgipfel vor allem internen Wirtschafts- und Finanzfragen der Union widmen – stattdessen müssen sich die Regierungschefs am ersten Tag vor allem mit internationalen Krisen befassen: Streit mit den USA, Spannungen mit Russland, Probleme mit der Türkei. So gern Europa außenpolitisch kraftvoll mit einer Stimme sprechen möchte – es ist nicht leicht, Geschlossenheit herzustellen. Dass sie sich auszahlen kann, zeigt am Nachmittag die Wende im Handelskonflikt mit den USA. Und dann ist da noch die Frage: Wie umgehen mit Russlands Präsident Wladimir Putin und dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan?

Putin ist das größere Problem: Die Regierungschefs verurteilen den Giftanschlag auf den ehemaligen Doppelagenten Sergej Skripal „auf das Schärfste“, wie es im Entwurf einer Gipfel-Erklärung heißt. Doch schnell wurde deutlich, dass sich die EU der 28 nicht auf eine offene Schuldzuweisung an Russland einigen kann – anders als vor einer Woche Merkel, Trump und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, die die britische Einschätzung einer russischen Verantwortung für den Anschlag von Salisbury ausdrücklich teilten. Der Gipfel erklärt dagegen nur, man nehme die britische Bewertung „sehr ernst“.

Eine Herausforderung auch für erprobte Gipfel-Diplomaten: Bis zuletzt feilen Unterhändler an einer gemeinsamen Position der EU-Staaten. Auch auf deutsches Drängen finden sich im Entwurf nun versteckte Hinweise auf die russische Verantwortung: Die Mitgliedstaaten würden sich darüber abstimmen, welche Konsequenzen in Anbetracht der Antworten der russischen Behörden zu ziehen seien, heißt es etwa. Zudem müsse sich die EU besser gegen chemische, biologische und nukleare Risiken wappnen – dass solche Risiken vor allem Richtung Osten vermutet werden, liegt auf der Hand. Sanktionen gegen Russland sind beim Gipfel indes kein Thema.

Da ist die Brüsseler Botschaft an den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan fast noch direkter. Am kommenden Montag trifft sich Erdogan mit den Spitzen der EU-Institutionen im bulgarischen Warna, es soll unter anderem um das Flüchtlingsabkommen gehen – doch vor dem Gipfel verschärfen die Regierungschefs, die in Warna nicht dabei sind, schon mal die Tonlage. Sie äußern in einer Erklärung „große Besorgnis über die fortdauernde Inhaftierung von EU-Bürgern in der Türkei“ und werfen Erdogan wegen des Gasstreits im Mittelmeer „fortgesetzt illegale Handlungen“ vor. Die Türkei geht beim Konflikt um die maritime Gaserkundung hart gegen die EU-Mitglieder Griechenland, Zypern und Italien vor. Auch die türkische Militäroffensive in Nordsyrien kommt beim Abendessen der Regierungschefs zur Sprache. Merkel hatte den Einsatz am Vortag „auf das Schärfste“ verurteilt. Ihre Einschätzung, das Verhältnis zum Nato-Partner Türkei bleibe „schwierig“, wird vom Gipfel geteilt.