Berlin.

Deutsch-polnische Spitzentreffen sind längst keine Gipfel der Harmonie mehr. Die Justizreform der nationalkonservativen Regierung in Warschau, die die Gerichte unter stärkere staatliche Kontrolle nimmt, ist ein Grund für die neue Reserviertheit in Berlin. Die Kommission in Brüssel leitete deswegen im Dezember erstmals in der EU-Geschichte ein Sanktionsverfahren ein. Aber auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Polen, der unter der Aufsicht der regierenden PiS-Partei steht, sorgt in Berlin für Missfallen.

Kanzlerin Angela Merkel hatte bei ihrem Antrittsbesuch am Montagabend in Warschau – der zweiten Auslandsreise nach ihrer Wiederwahl – jede Menge Streitthemen im Gepäck. Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki verteidigte die umstrittene Justizreform seiner Regierung. Er zeigte sich aber optimistisch, dass der Dissens mit der EU bald ausgeräumt werden könne. Es gebe „Licht am Ende des Tunnels“.

Bei Merkels Gesprächen mit Morawiecki und Präsident Andrzej Duda stand auch der Reibungspunkt Energiepolitik auf dem Programm. Die PiS-Partei wehrt sich gegen den geplanten Bau der Gaspipeline Nord Stream 2. Durch eine weitere Verbindung von Russland durch die Ostsee nach Deutschland mache sich Europa zunehmend von Moskau abhängig, warnen die Nationalkonservativen. Andere mittel- und osteuropäische Staaten bis hin zur Ukraine schließen sich der Kritik an.

Die polnische Regierung rügte mehrmals die von Merkel geforderten Quoten zur Verteilung von Flüchtlingen in der EU. Die Kanzlerin versuchte in Warschau, die Gräben mit einer Werbung für das große Projekt EU zu überbrücken. Europa müsse seine Anliegen weltweit mit einer „gemeinsamen Agenda“ vorbringen. Das erfordere die Bereitschaft, Kompromisse zu suchen.