Berlin . Der verstorbene Karl Lehmann prägte die katholische Kirche in Deutschland wie kein Zweiter – und baute Brücken zwischen den Konfessionen

Er erlebte das Zweite Vatikanische Konzil aus nächster Nähe; er war 33 Jahre Bischof von Mainz; als Kardinal wählte er in zwei Konklaven den Papst mit; mehr als 20 Jahre lang, von 1987 bis 2008, stand er an der Spitze der katholischen Deutschen Bischofskonferenz – Karl Lehmann hat wie kaum ein anderer die katholische Kirche in der Bundesrepublik geprägt. Am Sonntag ist der Kardinal, den die Menschen in Mainz liebevoll „unser Karl“ nannten, im Alter von 81 Jahren gestorben.

Karl Lehmann habe „der Kirche in Deutschland ein Gesicht gegeben, das menschenfreundlich und glaubensstark zugleich ist“, sagte sein Bischofskollege Robert Zollitsch einmal, und diese Charakterisierung trifft wohl mehr als jede andere das Wesen Lehmanns. Er stand für ein selbstbewusstes und zugleich weltoffenes, lebensbejahendes und dem Menschen zugewandtes Christentum. Die „Drohbotschaft“, der erhobene Zeigefinger von der Kanzel herab, war ihm fremd. Er, der in Schwaben geborene Sohn eines Volksschullehrers, setzte der Strenge der reinen Lehre die Bereitschaft zum Kompromiss entgegen. Lehmann sei „nah bei de Leut“, schwärmten sie in Mainz von ihrem Bischof.

Innerhalb der Bischofskonferenz, aber auch und gerade im Vatikan machte sich Lehmann mit seiner moderaten Haltung nicht nur Freunde. Als er 1988 als Chef der Bischofskonferenz versuchte, den Kölnern den am Rhein unerwünschten Berliner Kardinal Joachim Meisner als neuen Erzbischof zu ersparen, ließ man ihn in Rom abblitzen. Sechs Jahre später, 1994, fing Lehmann sich einen Rüffel des damaligen Kardinals Joseph Ratzinger ein – Lehmann hatte sich zuvor dafür stark gemacht, wieder verheirateten Geschiedenen doch wieder die Sakramente spenden zu können. Und wieder fünf Jahre später, 1999, ließ Papst Johannes Paul II. Lehmann abblitzen, als der Deutsche den Verbleib der katholischen Kirche im staatlichen System der Schwangerenberatung durchsetzen wollte.

So musste er lange darauf warten, zum Kardinal ernannt zu werden. Erst im Februar 2001 – nach 14 Jahren an der Spitze der Deutschen Bischofskonferenz – verlieh ihm Papst Johannes Paul II. das Purpur. „Ich habe immer einen langen Atem gehabt“, sagte Lehmann anlässlich seines 80. Geburtstags. Mit dem glaubensstrengen Papst Benedikt XVI. teilte der ungemein belesene Lehmann zwar die Liebe zu den Büchern – viel mehr an Gemeinsamkeit gab es allerdings nicht. Benedikts Nachfolger Franziskus hingegen lobte Lehmann als charismatische und glaubwürdige Persönlichkeit, die den Menschen den Glauben vorlebe. Franziskus, schrieb Lehmann einmal, sei „ein Geschenk“ für die katholische Kirche, die gerade in Europa immer mehr an Boden verliert.

Gern sah Lehmann auch Franziskus‘ Anstrengungen in Sachen Ökumene, die ihm selbst immer am Herzen lag. Die evangelische Kirche ehrte Lehmann 2016 als ersten Katholiken mit der Martin-Luther-Medaille.