Washington/Peking.

Die Erleichterung über das vorläufige Ende der Kriegsrhetorik im Nordkorea-Konflikt ist in Washington nach Bekanntwerden des für Mai geplanten Gipfeltreffens zwischen Donald Trump und Kim Jong-un schnell gewichen. Trump-Anhänger, sie sind in der Minderheit, erkennen in der Einladung Kims das Resultat des massiven Drucks, den Trump durch Wirtschaftssanktionen und Androhung maximaler Gewalt („totale Auslöschung“) auf das marode Regime ausgeübt hat.

Kritiker des Präsidenten, die am Freitag das Meinungsbild prägten, glauben hingegen, dass sich der in der internationalen Diplomatie unerfahrene Geschäftsmann von dem jungen Diktator (34) instrumentalisieren lasse. „Mit seiner Einladung demonstriert Kim, dass seine Investitionen in Atom- und Raketentechnologie die USA dazu gezwungen haben, ihn als ebenbürtig anzuerkennen und mit ihm auf Augenhöhe zu verhandeln“, sagte ein demokratischer Kongressabgeordneter aus Kalifornien dieser Zeitung.

Weil die Erwartungshaltungen gegensätzlich und beide Persönlichkeiten von egomanischen Zügen nicht frei seien, könne ein frühes Entgleisen der Auftaktverhandlungen und damit die Gefahr einer militärischen Kurzschlussreaktion nicht ausgeschlossen werden, befürchten Experten. Trump werde ­gemäß seiner bisherigen Linie auf die schnelle, vollständige und nicht mehr revidierbare Aufgabe sämtlicher ­nuklearer Aktivitäten pochen. Kim dagegen strebe etwas völlig anderes an: eine Lockerung der Sanktionen, die Nordkoreas Wirtschaft strangulieren, die Legitimierung seines Atomprogramms, eine Beendigung der Feindseligkeiten und langfristig den Abzug der US-Truppen aus Südkorea.

„Mitnichten“, sagt stellvertretend der Asien-Kenner Robert Einhorn, „hat er die Absicht, seine Atomwaffen aufzugeben.“ Der unter Präsident Bill Clinton an Nordkorea-Verhandlungen beteiligte Ex-Diplomat gehört zu einer langen Reihe von Experten in Washingtoner Denkfabriken, die ­große Zweifel an der Lauterkeit der Erklärungen aus Pjöngjang hegen und von einem überhasteten Gipfeltreffen „dringend abraten“.

Trump zufolge hat Kim eine Denuklearisierung angeboten

1994 wollte Nordkorea sein Plutonium-Waffen-Programm einfrieren, wurde aber später bei der Anreicherung von Uran erwischt. 2005 bekannte sich Pjöngjang zur Denuklearisierung, nur um ein Jahr danach die erste Atomwaffe zu testen. Dass der außenpolitisch nach Erfolgen suchende Trump Kim durch die bislang bedingungslose Einwilligung zu einem Treffen einen Vertrauensvorschuss gebe, sei „unnötig und bedenklich“, sagt Evan Medeiros, Asien-Berater von Präsident Obama. Zumal die Zeit zur Vorbereitung bis Mai viel zu knapp sei und weder im ­Weißen Haus noch im personell radikal ausgedünnten Außenministerium erfahrene Beamte zur Verfügung stünden. Amerika hat keinen Botschafter in Südkorea.

Das Weiße Haus widersprach am Abend der Einschätzung, es habe keine Bedingungen gestellt. Ein Treffen könne nur stattfinden, nachdem Nordkorea überprüfbare Schritte zur Denuklearisierung des Landes eingeleitet habe, sagte Trumps Sprecherin Sarah Sanders. Kim habe große Versprechungen gemacht, dazu gehöre die Denuklearisierung. Die USA hingegen hätten „keinerlei Zugeständnisse gemacht“.

Südkoreas Präsident Moon Jae-in sagte, das Treffen zwischen Trump und Kim werde ein „historischer Meilenstein sein, um Frieden auf der koreanischen Halbinsel zu schaffen“. Sein Sicherheitsberater hatte auch ein Treffen zwischen Kim und Moon eingefädelt. Diese Begegnung soll im April stattfinden. Eine „vollständige Denuklearisierung der Halbinsel“ rücke in Reichweite, sagte Moon.

Sollte Kim wirklich eine De­nuklearisierung angeboten haben, hat er damit eine Wende vollzogen, mit der bis vor Kurzem kaum jemand gerechnet hat. Denn eine Denuklearisierung hieße nicht nur, dass Kim sämtliche bereits hergestellte Atombomben verschrotten müsste. Er müsste auch seine Raketen zerlegen lassen, den Reaktor Yongbyon herunterfahren und regelmäßig Inspektoren ins Land lassen. Südkorea zufolge hat er all dies angeboten. Was er außer Sicherheitsgarantien im Gegenzug verlangt habe, hat Südkorea nicht bekannt gegeben. Auch Nordkorea hält sich offiziell bedeckt.

Südkoreas Präsident Moon hatte zwar im Umgang mit dem nördlichen Nachbarn die harte Linie seiner Vorgängerin beendet und dem Regime in Pjöngjang mehrfach Gespräche angeboten. Auch die Einladung an Nordkorea zur Teilnahme an den Olympischen Winterspielen im Februar geht auf Moon zurück. Doch der entscheidende Schritt der Annäherung beider verfeindeter Staaten ging von Kim aus. In seiner Neujahrsrede hatte der Diktator erstmals den Willen einer Annäherung geäußert. Moon ging auf das Angebot sofort ein.

Japan, Washingtons wichtigster Verbündeter in der Region, begrüßte die Annäherung und das geplante Treffen. Er schätze den Wandel Nord­koreas sehr, Gespräche mit dem Ziel einer atomaren Abrüstung zu beginnen, sagte Japans Premierminister Shinzo Abe. Doch solange Nordkorea ­keine konkreten Schritte in Richtung Abrüstung vornehme, die „überprüfbar und unumkehrbar“ seien, werde sein Land „den höchsten Druck auf das Land“ beibehalten.