Berlin.

Die Nachricht von seinem Abschied wollte Sigmar Gabriel doch lieber selbst verkünden. Erst am Donnerstagmorgen hatten ihn Andrea Nahles und Olaf Scholz darüber informiert, dass er als Bundesaußenminister nicht weitermachen darf. Auf Facebook veröffentlichte der 58-jährige kurz darauf eine Erklärung, in der er in gesetzten Worten das vorzeitige Aus seiner politischen Karriere bekannt gibt: „Nun endet die Zeit, in der ich politische Führungsaufgaben für die SPD wahrgenommen habe“, erklärt Gabriel und blickt gleich zurück auf eine knapp 30-jährige politische Laufbahn, 18 Jahre davon in leitenden Funktionen – als Ministerpräsident, Umwelt-, Wirtschafts- und Außenminister, Vizekanzler und SPD-Chef: „Das war eine große Ehre, für die ich tiefe Dankbarkeit empfinde.“

Kein Ton von Bitterkeit, auch später nicht, als Gabriel bei seinem letzten Auftritt im Auswärtigen Amt zu seinem Nachfolger Heiko Maas befragt wird: Wenn Maas neuer Außenminister werde, dann gehe er „mit einem ausgesprochen guten Gefühl“, sagt Gabriel. Maas werde das „exzellent machen“. Es ist der aufrechte Abgang eines großen Politikers. Gabriel hatte auch genügend Zeit, sich vorzubereiten – auch wenn es zuletzt so schien, als kämpfe er um das Amt, so hatte er sich keine Illusionen gemacht. Dass die neue SPD-Führung um Nahles und Scholz ihn loswerden wollte, hatte sich seit Langem abgezeichnet.

Nahles hatte sich mit Gabriel überworfen, auch zu Scholz ist das Verhältnis schwierig. Der Gesprächsfaden zu den beiden – und zum früheren Parteichef Martin Schulz – war seit Monaten immer dünner geworden. Bei den Sondierungsgesprächen mit der Union durfte der Minister schon gar nicht mehr dabei sein. Gabriel, der mit seinen Beliebtheitswerten die Genossenriege weit überflügelt, hätte aus ihrer Sicht wohl den Neuanfang gestört. Nicht nur Nahles zweifelte allerdings auch an Gabriels Teamfähigkeit. Der scheidende Minister kennt die Mechanik der Macht, er hat sich deshalb auch gar nicht ans Amt geklammert: „Das Recht auf Neubesetzung von Ministerposten hat nun mal jede neue SPD-Führung. So sind die Spielregeln“, hat er neulich erklärt. Was ihn aber verletzt hatte, war die als respektlos empfundene Art, wie die Parteispitze ihn im Ungewissen ließ und Absprachen ignorierte, während hinter den Kulissen planvoll seine Ablösung betrieben wurde. Das war dann wohl der Anlass für jene Äußerungen über die SPD-Führung und den Bartträger Schulz, die Gabriel viel Ärger einbrachten. Dass ihn diese Bemerkungen jetzt das Amt gekostet hätten, gehört indes ins Reich der besonders schlichten Legenden, die seine Gegner in der SPD streuen – die Reihenfolge ist andersherum. Aber natürlich wäre Gabriel gern Außenminister geblieben. In das Amt hat er sich seit gut einem Jahr mit beachtlichem Erfolg hineingekniet, er hat einen neuen Stil-Mix eingeführt aus klarer Ansprache und diplomatischem Geschick. Die Freilassung des in der Türkei inhaftierten Journalisten Deniz Yücel zählt zu seinen jüngsten Leistungen, an die Ga­briel jetzt erinnert. Es hat eine gewisse Tragik, dass er erst im letzten Jahr seiner Karriere jene Popularität gewann, um die er sich viele Jahre vergeblich bemüht hatte. Die Frage diskutieren nun auch Weggefährten in der SPD: Was, wenn er schon 2013 das Außen-Amt übernommen hätte?

Dass Gabriel als SPD-Chef zweimal die Kanzlerkandidatur ausschlug, hatte ja viel mit dem Rat von Demoskopen zu tun, die ihm anhaltend niedrige Sympathiewerte in der Bevölkerung attestierten, was immer er auch in seinen Ämtern erreichte. Gabriel hat, gewollt und ungewollt, über lange Jahre polarisiert. Er galt schon zu Beginn seiner Karriere als große politische Begabung, als Ausnahmeerscheinung in seiner SPD-Generation, mit ungewöhnlichem Redetalent und Instinkt für Themen und Stimmungen gesegnet – und auch mit robuster Durchsetzungsfähigkeit, die er als SPD-Chef und als Minister bewiesen hat.

Aber seine rhetorische Rauflust hat ihm nicht nur Zustimmung gebracht. Und der Funktionärsapparat der SPD verübelte ihm viele seiner Alleingänge, die unabgestimmten Positionswechsel und auch den mitunter rauen Umgangston. Parteien verzeihen so etwas nur, solange sich Erfolge einstellen. Am Ende rutschte Gabriel mehr und mehr in die Rolle eines Einzelkämpfers, dem in der SPD eine verlässliche Hausmacht fehlte.

Aber er geht ohne Groll. An den Gedanken, im Bundestag auf den Hinterbänken Platz zu nehmen, hat er sich ja schon während der Jamaika-Koalitionsverhandlungen gewöhnen können. Aus dieser Zeit stammen auch Überlegungen für eine Zukunft außerhalb der Politik. Über seine Pläne schweigt Gabriel aber noch. Bekannt ist bislang nur seine Verpflichtung als Lehrbeauftragter an der Uni Bonn – ab April leitet er ein Seminar über die Rolle Deutschlands in der Welt.