Berlin. Industrie verlangt Reaktion auf angekündigte Reform in den USA. Lob für die von der Koalition geplante Initiative mit Frankreich

Das Treffen ist Tradition, aber nicht immer verläuft es besonders angenehm für die Kanzlerin: Jedes Jahr begegnet Angela Merkel am Rande der Handwerksmesse in München den Spitzen der deutschen Wirtschaftsverbände. Vor vier Jahren übten die Verbandspräsidenten scharfe Kritik an der Renten- und Arbeitsmarktpolitik der damals frischen Bundesregierung.

Dieses Mal bringt Merkel der Wirtschaft die Ankündigung einer Steuerreform für Unternehmen mit. „Wir haben uns entschlossen, mit mehr Nachdruck als bisher das Projekt einer gemeinsamen Unternehmenssteuer mit Frankreich voranzutreiben“, kündigte sie bereits an. Bis Ende des Jahres erhoffe sie sich „einige Fortschritte“.

Tatsächlich ist im Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD festgehalten, dass es Mindeststeuersätze und eine gemeinsame Grundlage für die Erhebung von Unternehmenssteuern in Deutschland und Frankreich geben soll. Dies sei „eine europäische Antwort auf internationale Veränderungen“, vor allem auf geplante Steuersenkungen in den USA. Gesprochen wird über diese Reform schon seit mehreren Jahren. Nun soll sie Wirklichkeit werden.

Die Wirtschaft freut das: „Bei der Unternehmensbesteuerung gibt es politischen Handlungsbedarf“, sagte Dieter Kempf, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie, dieser Redaktion. „Im Vergleich mit den USA, anderen europäischen Staaten und insbesondere Frankreich besteht die Gefahr, dass sich Deutschland zum Hochsteuerland entwickelt.“ Die deutsche Wirtschaft müsse „im zunehmenden internationalen Steuerwettbewerb handlungsfähig“ bleiben, so Kempf. Darauf müsse die Koalition bei der Harmonisierung des Steuerrechts mit Frankreich achten. Würden Bilanzvorschriften angeglichen, könne dies den grenzüberschreitenden Handel mit Frankreich erleichtern, sagte der Verbandspräsident.

„Als Zielgröße sind 25 Prozent Belastung möglich“

„Es ist richtig, dass die Bundesregierung auf Steuerreformen in anderen Ländern reagieren will“, lobte auch der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) Eric Schweitzer. „Andere Länder machen uns derzeit vor, dass als Zielgröße der Gesamtbelastung der Unternehmen 25 Prozent möglich sein sollte.“ Der französische Präsident Emmanuel Macron habe bereits erste Entlastungen umgesetzt und weitere angekündigt. „Frankreich und Deutschland liegen derzeit aber noch bei 30 Prozent und mehr“, kritisiert Schweitzer und mahnt an, auch Gewinne in der digitalen Wirtschaft zu besteuern. Dies könne nur mit internationalen Vereinbarungen gelingen.

Die steuerliche Belastung deutscher Unternehmen liegt mit effektiv gut 30 Prozent inzwischen deutlich über anderen europäischen Staaten. Die USA hatten Ende des vergangenen Jahres eine Senkung von 35 auf 21 Prozent angekündigt. Auch Frankreich will die Belastung demnächst auf nur noch 25 Prozent senken. „Deutschland wird in wenigen Jahren an der Spitze stehen“, prophezeit der Chef des Ifo-Instituts, Clemens Fuest. „Dann gehen Investitionen und Jobs verloren.“ Auch er empfiehlt 25 Prozent Steuerbelastung für Firmen.

„Wenn wichtige Länder wie die USA und Großbritannien die Steuersätze senken, sollten wir darauf eine Antwort finden, idealerweise mit Frankreich zusammen“, sagte der scheidende Finanzstaatssekretär, Jens Spahn, dieser Redaktion.