Washington . Hunderttausende fordern nach dem Massaker von Parkland schärfere Waffengesetze. Wächst da eine neue Protestbewegung heran?

Wenn Jimmy Fallon plötzlich doch politisch wird, muss etwas geschehen sein in Amerika. Der bekannte Late-Night-Talkshow-Moderator hielt monatelang auch dann noch eisern an seinen keimfreien Gute-Laune-Scherzen und Gesangseinlagen fest, als der Rest der Zunft schon Abend für Abend mit aufklärerischem Furor das Phänomen Donald Trump auseinandernahm. Das Schul-Massaker am Valentinstag in Parkland/Florida hat Fallon zur Kehrtwende gezwungen.

Da ist eine „Revolution im Gange“, sagte er dieser Tage mit ernster Miene vor Millionen-Publikum in seiner Sendung. Und meinte den über Nacht gewachsenen Protest einer unerschrockenen Schüler-Generation, die sich 20 Jahre nach der Tragödie von Colum­bine/Colorado nicht mehr widerspruchslos mit den folgenlosen Ritualen einer zwischen der Verfassung und der Waffen-Lobby „National Rifle Association“ (NRA) eingeklemmten Politikerkaste abfinden will.

Angeführt von der 17-jährigen Schülerin Emma Gonzalez, die in nicht einmal zwei Wochen auf Twitter rund 1,2 Millionen Anhänger hinter sich brachte, fordert die „Generation Parkland“ kompromisslos schärfere Waffengesetze. Und droht offen damit, jeden Politiker aus dem Amt zu drängen, der sich weiter von der NRA wie an der Leine durch die Arena ziehen lässt.

Die Wortführer sprechen tatsächlich für Hunderttausende Heranwachsende, die ihre Schulen seit Jahren aufgrund gehäufter Gewalttaten als latenten Unsicherheitsort erleben. Da sie allesamt eloquent auftreten, liegt Aufbruchsstimmung in der Luft. Wächst da, begünstigt durch die sozialen Netzwerke, eine neue Protestbewegung heran, die wie in den 60er-Jahren die Verhältnisse zum Tanzen bringen kann?

Wenn Oprah Winfrey die Frage bejaht, hört Amerika genau zu. Die schwarze Multi-Milliardärin hätte laut Umfragen das Format, um 2020 Donald Trump zu beerben. Falls „Gott sie ruft“, sagte sie jüngst, würde sie vielleicht eine Kandidatur wagen. Was Winfrey seit Parkland spürt, erinnert sie an die Bürgerrechtsbewegung in Zeiten des Vietnamkriegs. „Junge Leute sagen heute wieder: Wir tolerieren nicht mehr, was unsere Eltern und Großeltern hingenommen haben. Wir haben es satt. Wir werden für Veränderungen kämpfen. Und wir sind bereit, dafür zu sterben.“

Mag der letzte Punkt auch etwas ­pathetisch klingen: Dass der gesellschaftliche Unmut nach der Tragödie an der Marjory Stoneman Douglas High School anders beschaffen ist als nach vorherigen Katastrophen, leugnet kaum jemand. Landesweit haben sich Schüler-Bündnisse gebildet, die eine Überzeugung eint: „Die Leute, die wir in die Regierung gewählt haben, belügen uns.“ Auch darum bleibt der Medienscheinwerfer unverändert auf dem Waffen-Thema. Präsident Trump und der Kongress suchen unterdessen krampfhaft nach vorzeigbaren Verschärfungen, die dem Protest das Momentum nehmen könnten. Bisher vergeblich.

Melania Trump stellt sich hinter die Jugendlichen

Dagegen setzt einmal mehr die Wirtschaft Fakten. Der Supermarkt-Riese Walmart kündigte an, die Altersgrenze für den Waffenkauf von 18 auf 21 Jahre zu erhöhen. Andere Ketten wollen folgen. Der „Generation Parkland“ reicht das nicht. Mit Schulstreiks und einer Großdemonstration mit erwarteten 500 000 Menschen in Washington am 24. März wollen die Schüler auf generelle Verkaufsverbote bestimmter Waffen drängen und den Einfluss der NRA beschneiden.

Für den Erfolg der Bewegung spielt nach Ansicht von Politik-Wissenschaftlern der George-Mason-Universität in Washington auch ihre Macht als künftige Wähler eine Rolle. Vor den Zwischenwahlen im Kongress im kommenden November werden rund vier Millionen Amerikaner 18 Jahre alt und damit wahlberechtigt. Das erklärt, warum sich NRA-freundliche Kongressabgeordnete und Senatoren in umkämpften Wahlbezirken Sorgen machten. „Da wächst eine Generation heran, die mit dem Waffen-Drama groß geworden ist und jetzt sagt: Nicht noch mal. Ende!“

Auch für die NRA selbst, mit ihren prall gefüllten Kassen und fast sechs Millionen Mitgliedern, stellt der Gegner eine neue Herausforderung dar. Sie kann den Überlebenden von Parkland nicht mit der üblichen Herablassung kommen. Das Argument „Nur ein guter Mensch mit einer Waffe kann einen ­bösen Menschen mit einer Waffe stoppen“ zieht in der Schüler-Generation nicht. Hinzu kommt: Für die jüngere Generation, das zeigen alle Statistiken, gehört der Kauf einer Pistole oder eines Gewehres nicht mehr zum standard­mäßigen Lebensstil. Die „Gun Culture“ ist schleichend auf dem Rückzug. Wer das offenbar verstanden hat, ist Melania Trump. „Ich fühle mich ermutigt“, sagte die First Lady in dieser Woche, „überall im Land Kinder zu sehen, die ihre ­Stimme erheben und Wandel herbei­führen wollen.“ Ob ihr Gatte das auch so sieht?