Washington.

Ein „Abfallprodukt“ der immer näher an US-Präsident Donald Trump heranreichenden Ermittlungen in der Russland-Affäre schlägt in Europa hohe Wellen. Im Zuge seiner Untersuchungen hat der frühere FBI-Chef Robert Mueller Trumps ehemaligen Wahlkampfchef Paul Manafort, der bereits wegen Geldwäscheverdachts unter Hausarrest steht, weiterer Verbrechen beschuldigt. Sie könnten den 68-Jährigen im Fall einer Verurteilung bis ans Lebensende ins Gefängnis bringen. Es sei denn, er kooperiert mit Mueller und packt gegen Trump aus.

Manafort soll 2012 und 2013 europäische Spitzenpolitiker gegen Zahlung von zwei Millionen Dollar (1,6 Millionen Euro) für Lobbyarbeit zugunsten des früheren ukrainischen und Kreml-hörigen Präsidenten Viktor Janukowitsch eingespannt haben. Das Geld soll über Offshore-Konten geflossen sein, wie aus einer Klageschrift gegen Manafort hervorgeht, die Mueller Ende vergangener Woche vor Gericht eingereicht hat. Der Sonderermittler nennt keine Namen, erwähnt lediglich, dass das Influencer-Team von einem „ehemaligen europäischen Kanzler“ geleitet wurde.

Weil das US-Justizministerium mit Verweis auf die Akten zweier US-Lobbyfirmen die Bewegungsprofile bestimmter Personen nachgezeichnet hat, fiel der Verdacht auf dieses Quartett: den österreichischen Ex-Kanzler Alfred Gusenbauer, den ehemaligen italienischen Ministerpräsidenten Romano Prodi, den polnischen Ex-Präsidenten Aleksander Kwasniewski und den Vorgänger von Janukowitsch in der Ukraine, Viktor Juschtschenko. Die ersten drei bestätigten gegenüber europäischen Medien Kontakte mit Manafort. Sie bestritten jedoch, als Lobbyisten für Janukowitsch agiert zu haben und dafür von Manafort bezahlt worden zu sein. Gusenbauer erklärte lediglich, er sei „remuneriert“ worden, zu Deutsch: Er bekam eine „Vergütung“.

Weil Manafort, Gusenbauer & Co. auch mit US-Abgeordneten in der Causa Ukraine Kontakt hatten, wäre laut Gesetz die Registrierung als „foreign agents“ notwendig gewesen, was unterblieben ist und eine Straftat darstellt. Gusenbauer (SPÖ) erklärte, dass er niemals spezifische Hilfestellungen für den damaligen ukrainischen Präsidenten geleistet habe. Allein um die Heranführung der Ukraine (Assoziierungsabkommen) an die Europäische Union sei es ihm gegangen. Als es Ende 2013 zum Umsturz in Kiew kam und sich Janukowitsch Moskau zuwandte, seien die Bemühungen eingestellt worden.

In Österreich hat der Fall Gusenbauer Empörung ausgelöst. Die Regierungspartei FPÖ erwägt die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses. Für den langjährigen Europa-Abgeordneten Elmar Brok wäre es ein „unerträglicher Vorgang“, wenn sich bestätigen sollte, dass EU-Politiker als Lobbyisten für „fremde Mächte“ gearbeitet haben. Der CDU-Politiker will wissen, für welches Assoziierungsabkommen sich Gusenbauer & Co. engagiert haben. Wäre das Thema Rechtsstaatlichkeit, sprich: die damals geforderte Freilassung der ­Oppositionsführerin Julia Timoschenko, ausgeklammert gewesen, „wäre das ein dolles Ding“, sagte Brok dieser Zeitung.

In den USA spielt die Personalie Gusenbauer nur eine Nebenrolle. Hier geht es um Manafort. Sonderermittler Mueller vermutet bei ihm internes Wissen über noch unaufgeklärte Kontakte zwischen dem Kreml und Team Trump vor der Präsidentenwahl 2016.