Berlin.

Hans-Georg Maaßen hält still. Der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz sitzt alle Forderungen aus, die AfD zu beobachten. Es ist fast zwei Jahre her, dass er sich persönlich zuletzt dazu ausführlich geäußert hat. Weder seine Behörde noch die Verfassungsschützer der Länder beobachten die Partei.

Bundestagsvizepräsident Thomas Oppermann (SPD) pochte am Wochenende in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ darauf, sollte die Radikalisierung in der AfD fortschreiten, könne eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz „nicht ausgeschlossen werden“. Die neueste Empörungswelle hatte André Poggenburg, Landeschef der AfD in Sachsen-Anhalt, ausgelöst, als er in einer Aschermittwochrede Türken als „Kameltreiber“ verunglimpfte.

„Beobachten“ ist in Maaßens Welt nicht irgendein Begriff. Wird eine Partei zum Beobachtungsobjekt erklärt, darf der Nachrichtendienst sie heimlich observieren, aus ihren Reihen verdeckte Informanten anwerben. Nicht Oppermann, Maaßen muss in letzter Konsequenz vor Gericht den Nachweis führen, dass die AfD die freiheitlich-demokratische Ordnung gefährdet. Das ist die rote Linie. Die ist im Fall der AfD nach Ansicht der Verfassungsschützer nicht verletzt. Das Bundesamt sieht „keine ausreichenden Anhaltspunkte für ein rechtsextremistisches Bestreben“. Eine Einflussnahme oder Steuerung durch Rechtsextremisten sei nicht erkennbar.

Maaßen spricht das ungern aus. Es klingt wie ein Persilschein. Den will er nicht ausstellen, umgekehrt ebenso wenig der Konkurrenzschutz der etablierten Parteien sein. Wie immer sich Maaßen entscheidet, das Ergebnis ist ein Politikum: Eine Partei, die „beobachtet“ wird und im Verfassungsschutzbericht auftaucht, wird stigmatisiert. Umgekehrt kann sie aber auch die Opferpose einnehmen: Wir gegen das unfaire Establishment.

Die Diskussion kocht bei jeder Entgleisung aus den Reihen der AfD hoch: Als sich der Thüringer Björn Höcke verächtlich über das Holocaust-Denkmal äußerte zum Beispiel, oder eben jetzt wegen Poggenburg. Es sind radikale Aussagen. Ob sie noch durch die Meinungsfreiheit gedeckt sind, prüft die Staatsanwaltschaft Dresden. Aufgabe des Verfassungsschutzes ist das nicht.

Gleichwohl wurden AfD-Leute schon bisher vom Verfassungsschutz in den Ländern beobachtet, so etwa in Bayern der AfD-Chef Petr Bystron. Die Aktion wurde eingestellt, als er im September in den Bundestag gewählt wurde. Für die Beobachtung von Abgeordneten gelten höhere Hürden – Erfolg schützt. Doch die Partei darf sich nicht zu sehr darauf verlassen, zumindest an ihren Nervenenden hat der Geheimdienst schon angedockt: Er beobachtet die „Identitäre Bewegung“, die Kontakte zu AfD-Leuten unterhält. Der AfD ist bewusst, dass sie sich in einer Gefahrenzone bewegt. Poggenburg hat seine Äußerungen sofort zur Satire erklärt, die Bundespartei hat ihn gerügt.

Justizminister Heiko Maas (SPD) sagte unserer Zeitung, „wer Menschen aufgrund ihrer Herkunft oder Abstammung diskriminiert, agiert immer offener rassistisch und nationalistisch. Teile der AfD sind längst auf dem Weg, ein Fall für den Verfassungsschutz zu werden.“ Gleichzeitig mahnt er, „grundsätzlich dürfen wir es uns aber nicht so einfach machen und glauben, allein mit einer Beobachtung durch den Verfassungsschutz seien die Probleme gelöst“. Die Auseinandersetzung mit der AfD müsse vor allem sachlich und politisch erfolgen.

Gelegenheiten, diesen Umgang mit der Partei zu üben, gibt es ausreichend. So sorgte in Baden-Württemberg der AfD-Landtagsabgeordnete Wolfgang Gedeon für Irritationen, weil er ein Ende der Stolperstein-Aktion forderte, bei der mit in Gehwegen eingelassenen Gedenksteinen an die Opfer des Nationalsozialismus erinnert wird. Landesinnenminister Thomas Strobl (CDU) lässt seinen Verfassungsschutz längst prüfen, ob die Voraussetzung für eine Beobachtung vorliegt. Aus den Ländern könnte der Druck auf den Bund steigen und sich Seehofer genötigt sehen, dem Kölner Amtschef die Gretchenfrage zu stellen: Übernehmen Sie, Herr Maaßen?