Washington .

Dass sie zu ihm eingeladen wurden, das allein war schon ungewöhnlich: Eine Woche nach dem Massaker an einer Schule in Florida mit 17 Toten hat US-Präsident Donald Trump im Weißen Haus Schüler und Lehrer aus Parkland empfangen. Der 19-jährige Nikolas Cruz hatte in der Stadt an der Marjorie Stoneman Douglas High School am vergangenen Mittwoch mit einer halbautomatischen Waffe 14 Schüler und drei Erwachsene getötet. An der Gesprächsrunde mit dem Präsidenten nahmen auch Betroffene der Schulmassaker von Columbine und Newtown teil.

Nach dem Amoklauf von Parkland entbrannte die Debatte um eine Verschärfung des Waffenrechts in den USA neu. Es kam zu Protesten. Unter diesem öffentlichen Druck forderte Trump das Justizministerium zu einem Verbot spezieller Waffenvorrichtungen auf. Die abgeklärte Vehemenz, mit der Mädchen und Jungen im Teenageralter, die Parkland überlebt haben, im Fernsehen ihr Anliegen vertreten, hat gewaltigen Eindruck hinterlassen. Hollywoodstar George Clooney und seine Frau Amal unterstützen den Protest in Washington mit mehreren Hunderttausend Dollar, ebenso Oprah Winfrey und Filmregisseur Steven Spielberg. Sie wollen am 24. März beim „Marsch für unser Leben“ in Washington „Seite an Seite stehen“ mit der jungen Generation stehen. Bereits am 14. März ist eine landesweite Aktion geplant – 17 Schweigeminuten, für jeden der Toten eine.

Ob das Aufbegehren der Schüler Früchte trägt, ist zumindest fraglich. Zu schnell versiegte in der Vergangenheit nach Massenmorden das Interesse. Doch es gibt Indizien, dass die Empörung diesmal größere Durchschlagskraft haben könnte.

Angefangen bei Donald Trump: Der rigoros auf Fernsehausstrahlung geeichte Präsident hat schnell registriert, wie blendend artikuliert und überzeugend der Protest von Schüler-Wortführern wie Emma Gonzalez oder Cameron Kasky ist. Und wie kompromisslos. „Schämt euch“, rufen die 17-Jährigen aus Parkland den gewählten Volksvertretern zu. „Unser Blut klebt am Boden unserer Klassenzimmer, weil ihr untätig bleibt.“

Anstatt wie sonst im politischen Guerilla-Alltag auf Twitter unbarmherzig zu kontern, hat Trump, der Freund der Waffenlobby NRA, nun also die betroffenen Schüler zum Gespräch nach Washington eingeladen. „Wir wollen zuhören“, hatte das Weiße Haus vorher fast kleinlaut verlauten lassen.

Zu Besuch kommt eine Generation, die keine Welt ohne Schulmassaker kennt. Am 20. April jährt sich der Amoklauf von Dylan Klebold und Eric Harris mit 15 Toten an der Columbine High School im US-Bundesstaat Colorado zum 20. Mal. Weltweit nahmen sich seither etliche Nachahmungstäter das Massaker zum Vorbild.

Wer zu Columbines Zeiten geboren wurde, ist in den USA mit Schießereien an Schulen und Hochschulen aufgewachsen – von Virginia Tech (2007) bis Sandy Hook (2012). Rund 150.000 Schüler in Amerika haben seit Columbine die physisch und psychisch zerstörerische Kraft von Waffengewalt im Unterricht erfahren müssen. Mit der Macht der sozialen Netzwerke und stundenlangem Training im schuleigenen Debattierclub im Rücken bringen die Protagonisten der Bewegung jetzt ihr Anliegen nach vorn: Schluss mit dem Nichtstun! Weg mit aberwitzig anmutenden Gesetzen, die jungen Menschen unter 21 den Kauf von Bier untersagen, nicht aber den Erwerb von halbautomatischen Schnellfeuergewehren.

An dieser Stelle springt ein einflussreicher alter Mann der Jugend zur Seite. Al Hoffman Jr. hat als Spender und Fundraiser Millionenbeträge für die Republikaner eingetrieben. Jetzt sagt der 83-Jährige wütend: „Ich unterschreibe für niemanden mehr einen Scheck, der nicht einen Bann von Sturmgewehren fordert.“ Um den Sturm abzumildern, hat Präsident Trump erklärt, er sei für moderate Änderungen zu haben. Solange sie nicht das grundlegendende Recht auf Waffenbesitz unterlaufen. Bei den Demokraten wird eine Wiederholung der Bill-Clinton-Jahre angestrebt: Von 1994 bis 2004 waren Sturmgewehre wie das überproportional bei Massenmorden benutzte AR-15 verboten. Heute haben nur sieben Bundesstaaten entsprechende Gesetze. Die überwiegende Mehrheit tastet das beliebteste US-Gewehr nicht an. Begründung unter anderem: Die mit Abstand meisten Waffentoten in den USA sind auf Pistolen und Colts zurückzuführen. Zutreffend.

Die NRA, deren führender Kopf Wayne LaPierre („Gegen einen bösen Menschen mit einer Waffe hilft nur ein guter Mensch mit einer Waffe“) am Wochenende in Washington bei einem großen Konservativen-Kongress auftreten wird, will ohnehin in eine ganz andere Richtung: Bewaffnete Sicherheitsbeamte an allen Schulen. Und zielsichere Lehrer, die nicht nur Noten verteilen können. Sondern wenn es darauf ankommt auch Kugeln. Die Teenager von Parkland wollen das nicht. Was will Donald Trump?